Es hat nichts mit der Milde des Alters zu tun und einer für mich selbst erstaunlichen Gelassenheit dem Festivalbetrieb gegenüber, dass der Jahrgang 2016 wenig Grund zur Kritik geboten hat. Insofern konnte die Jury bei ihrer Wahl der Preisträger nichts falsch machen…Absolut in Ordnung und dabei politisch korrekt, der Goldene Bär für Gianfranco Rosis Dokumentarfilm über die chaotischen Verhältnisse auf Lampedusa: „Fuocoammare“. Silber für Lav Diaz: die anderen Preise sorgsam verteilt.
Mit „A lullaby to sorrowful mystery“ (Lav Diaz) wurden gleichzeitig zwei andere sperrige Stücke des „Wettbewerbs“ quasi stellvertretend gewürdigt: Jeff Nichols irritierende Zukunftsvision „Midnight spezial“ und die verschlüsselte Beschreibung eines Untergangs „A dragon arrives“des iranischen Regisseurs Mani Haghighi. Zwei kühne Versuche zu neuen cineastischen Ufern aufzubrechen, die beide allerdings den Betrachter ein bisschen ratlos entlassen.
Ganz auf der Höhe seiner Kunst präsentierte Danis Tanovic seinen neuen Film „Death in Sarajevo“, für den er rechtens ausgezeichnet wurde! Wie er nach seiner semidokumentarischen Alltagsbeschreibung eines Schrott sammelten Roma diesmal Bernard-Henry Lévis Theaterstück „Hotel Europa“ zu einem beklemmenden, filmisch überzeugenden Schlaglicht auf die nach wie vor bestehenden Verwerfungen zwischen Bosniaken und Serben macht, ist genial…
Nicht ganz so überzeugend, aber immer noch weit über dem Durchschnitt die Novitäten von Rafi Pitts, Mohammed Ben Attia oder Lee Tamahori, der mit seinem „Patriarch“ vor allem großes Schauspieler-Kino bot.
Angesichts dessen kann nicht verschwiegen werden, dass die deutschen Beiträge – die Abtreibungs-Schmonzette „24 Wochen“ und die dröge Fallada-Verfilmung „Jeder stirbt für sich allein“ – das künstlerische Schlusslicht der diesjährigen Berlinale bildeten…
Schön auch, dass Dieter Kosslick in Sachen „Galas“ und „Berlinale Spezials“ diesmal Zurückhaltung walten ließ. Ein „Gala“-Höhepunkt, der allerdings bei Filmhistorikern für Stirnrunzeln sorgte, war die digital restaurierte Fassung von Fritz Langs „Der müde Tod“. Die Chefrestauratorin der Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung, Anke Wilkening, hat wieder eine meisterhafte Arbeit geleistet! Sich damit aber gleichzeitig auf ein gefährliches Terrain begebend. Obwohl keine viragierte Fassung des Films überliefert ist, ebenso wenig ein Farbkonzept Fritz Langs, ist Wilkening das Risiko einer historisch ungesicherten Virage eingegangen. Sie ist dabei mit größter Zurückhaltung vorgegangen und das war gut so!
Bei der Premiere im Friedrichsstadtpalast wurde „Der müde Tod“ gleichzeitig mit einer neuen Musik des Freiburger Komponisten Cornelius Schwehr mit dem Rundfunk-Sinfonie-Orchester Berlin unter der Leitung von Frank Strobel vorgeführt. Gefällig, aber nicht sonderlich originell….
Nachdem arte diese Fassung des „Müden Tod“ bereits ausgestrahlt hat, wird der Film im April von Universum auf DVD und Blu-ray veröffentlicht.
Es waren nicht nur die angenehmen Filme, sondern auch das wunderbare Gefühl nicht bei Beginn des Nachspanns aus dem Kino stürzen zu müssen, um einen Radiobeitrag herzustellen, den dann sowieso keiner hört…