Herausgegeben von Karin Herbst-Meßlinger, Rainer Rother, Annika Schaefer
Verlag Bertz-Fischer, 2018 – 29€
Das Buch zur fulminanten Berlinale-Retrospektive 2018: Edel in der Ausstattung mit erlauchten Beiträgern von Wim Wenders über Philipp Stölzl bis Ulrike Ottinger. Ihre Beiträge ergänzen lose die Filme der Retrospektive und beschäftigen sich punktuell mit der Filmgeschichte der 15 Weimarer Jahre.
Der Bogen reicht vom artigen Proseminar-Aufsatz (Annika Schaefer zu „Arbeitswelten“) oder dem lustfreien, streng akademischen Diskurs (Ioana Cracun über „Kindheit und Jugend im Weimarer Kino“) bis zu launigen Plaudereien von Philipp Stölzl (zu „Der Favorit der Königin“), Andres Veiel (zu „Der Katzensteg“) und Dietrich Brüggemann (zu „Ihre Majestät die Liebe“). Die Drei sind zwar versierte Filmemacher, aber als Filmhistoriker sind sie bisher nicht aufgefallen.
Das kann man von Wim Wenders nicht sagen. Wenn gleich seine „Filmkritik“-Zeit schon ziemlich lange zurück liegt. So geraten ihm seine aktuellen Betrachtungen zu „Heimkehr“ und „Song“ redundant, ziemlich ungenau und oberflächlich: zwischen Tür und Angel Frau Donata diktiert. Das gilt auch für die Bemühungen von Ulrike Ottinger und Jutta Brückner, mit Anspruch Aspekte (Frauen, was sonst!) des Weimarer Kinos zu reflektieren.
Solche Artikel geben dann auch mehr Aufschluß über die Seelenlage der VerfasserInnen und wenig über den Gegenstand ihrer Beschreibungen. Wirklich Substantielles hat in dem Kunstdruck-Buch eigentlich nur Jörg Schöning („Von Danton zu Hindenburg“) zu bieten; aber von ihm ist auch nichts Anderes zu erwarten. Und selbst er verweilt etwas zu lange bei Lubitsch und „Madame Dubarry“, der in der Retro ebenso wenig zur Debatte stand wie „Danton“ oder „Schinderhannes“. So beschleicht den Leser der Verdacht, dass es sich hier vielleicht um die Zweitverwertung eines Aufsatzes aus der Schublade handeln könnte…
Das alles liest man mit mehr oder weniger großem Vergnügen. Im Hinblick auf das Programm der Retrospektive „Weimarer Kino neu gesehen“ haben die Herausgeber das „Klassenziel“ mit ihrer ambitiösen Autorenwahl – vorzugsweise aus dem Dunstkreis der „Deutschen Kinemathek“ – verfehlt. Schade, der teure, hoch subventionierte Band hätte die Möglichkeit geboten, das Motto der Retrospektive wirklich auszufüllen und den Deutschen Film der 1920er und frühen 1930er Jahre endlich einmal im Grundsatz zu beschreiben. Das Manko zeigte sich im Übrigen auch bei den teilweise von wenig Fachkenntnis gesegneten Einführungen vor den Filmvorführungen.