Rainer Rother (Deutsche Kinemathek, Berlin) und Ellen M. Harrington (Deutsches Filminstitut, Frankfurt/M) eröffneten heute gemeinsam die diesjährige Berlinale-Retrospektive „Weimarer Kino: neu gesehen“.
Ein Auftritt der Beiden heute Abend im Berliner CinemaxX am Potsdamer Platz, Saal 8, wie er symbolträchtiger nicht sein könnte: während Rother artig seine Begrüßung – zweisprachig – von Karteikarten ablas, zückte Harrington ihr Tablett und spulte ohne Punkt und Komma ihre Infos – in englisch – zur komplexen Restaurierung von „Der Kampf um das Matterhorn“ (Bonnard/Malasomma,1928) ab. Die Arbeit an dem bisher nur rudimentär zur Verfügung stehenden Bergfilm-Klassikers hat zwar lange vor ihrer Zeit am Frankfurter DIF stattgefunden, aber als neue Chefin des Hauses am Schaumainkai (seit 1.Januar 2018) nutzte sie die Gunst der Stunde, um sich dem Auditorium – vor wiegend Experten aus dem In-und Ausland – vorzustellen.
Die Verblüffung war im vergangenen Jahr groß, als der Verwaltungsrat des „Deutschen Filminstituts“ die Amerikanerin als Nachfolgerin von Claudia Hillmann präsentierte. Ellen M. Harrington hat seit 1993 wichtige Positionen in der „Academy of Motion Pictures Arts and Sciences“ in Los Angeles bekleidet. Zuletzt war sie für die Sammlungen des „Oscar“-Ausrichters zuständig.
Da fragt man sich natürlich unwillkürlich, was treibt so jemanden ausgerechnet nach Frankfurt? Harrington soll zwar verschiedene Fremdsprachen können, Deutsch ist leider nicht dabei… Auch als Kennerin der deutschen Filmgeschichte ist sie bisher nicht aufgefallen.
Also steckt ein anderes Kalkül hinter ihrer Berufung! Und da sind wir wieder bei heute Abend: Karteikarten vs. Tablett! Während alle deutschen Filmarchive von München bis Berlin ein Jammerbild unterfinanzierter Genügsamkeit im selbst gezimmerten Elfenbeinturm abgeben, wollen die Frankfurter Verantwortlichen mit der Berufung einer amerikanischen Powerfrau ein Zeichen setzen. Der Auftritt Rainer & Ellen hat das eindrucksvoll belegt. Gegen das forsche Auftreten der selbstbewußten Blondine aus Beverly Hills kam er nur bedingt an.
Vielleicht bringt sie ja neue Ideen aus Übersee mit, wie man nicht nur ihr eigenes Institut, sondern z. B. die ehrwürdige Kinemathek aus ihrem Dornröschenschlaf erwecken könnte. Das in Zukunft nicht mehr hochkarätige Archivalien mit dem Hinweis auf mangelnde Kapazitäten abgelehnt werden. So geschehen mit dem Archiv einer der wichtigsten deutschen Filmpresseagenturen oder es Monate dauert bis eine simple DVD Platz im Archiv findet. Einem on dit zufolge wollte man in Berlin nicht einmal den Nachlaß von Henry Koster (Hermann Kosterlitz) geschenkt haben.
Wir sind gespannt, wann Rainer Rother von der Karteikarte zum Tablett wechselt!
Simone Susanne Kussatz
Sehr geehrter Herr Spaich,
ich finde Ihre Bemerkung gegenüber Frau Harrington äuβerst ungeschickt und auch ein
wenig respektlos, deshalb konnte ich der Versuchung nicht widerstehen, sie hier öffentlich zu verteidigen.
Machen Sie mal nach was Frau Harrington in einem fremden Land in kürzester Zeit auf die Beine gestellt hat, ohne die neue Fremdsprache flieβend sprechen zu können. (Wer sagt, dass sie kein Deutsch kann? Sie kann es ebenso gut wie jeder andere Mensch, vielleicht sogar besser, der nur wenige Wochen Zeit hatte eine neue Sprache zu erlernen, während sie vollzeit arbeitete und das in einer anspruchsvollen Position als Kuratorin an der American Academy of Motion Picture Arts and Sciences). Auβerdem sagten Sie nicht selbst, dass Frau Harrington erst seit dem 1. Januar in Deutschland lebt? Wir haben heute den 20. Februar.
Wie gut ist Ihr Französisch, Spanisch oder Italienisch? Reicht es um eine öffentliche Rede auf einem internationalen Filmfestival zu halten? Falls so, wie lange hatten Sie Unterricht?
Es ist doch nur verständlich, dass Frau Harrington dann in so einer Situation eher auf ihre Muttersprache zurückkehrt. Selbst Politiker machen das, wenn sie im Ausland Reden halten. Deshalb gibt es den Beruf des Simultanübersetzers.
Ich kann nur sagen was Frau Harrington bislang erreicht hat ist eine wahnsinnige Leistung. Kaum ist sie da, schon hat sie die Retrospektive an der Berlinale und die Stanley Kubrick Ausstellung am Deutschen Filminstitut in Frankfurt organisiert. Alle Achtung! Auch eine neue Stelle anzunehmen und dann noch im Ausland, da gehören eine ganze Portion Mut dazu.
Auβerdem was soll diese Bemerkung mit Frankfurt. Bei einer Studie stand Frankfurt an siebter Stelle unter Städten mit höchster Lebensqualität. Auch so ist Frankfurt doch eine recht interessante Stadt, vorallem für eine Person, wie Frau Harrington, die unter anderem auch Literaturwissenschaften studiert hat. Die Frankfurter Buchmesse steht in ein paar Monaten an. Frankfurt ist die Geburtsstätte von Goethe und tolle Museen gibt’s auch. Als Direktorin und ehemalige Kuratorin interessiert man sich für andere Museen.
Dass Frau Harrington im Moment mehr Wissen über die amerikanische Filmindustrie hat als über deutsche Filmgeschichte ist doch logisch. Sie war 24 Jahre an der Academy tätig. Also ich wüsste auch nicht mehr was ich so alles im Studium gelernt habe, aber ich denke es hat mir geholfen, mich in neue Gebiete schnell einarbeiten zu können.
Wissen Sie, es ist eine alte Weisheit, dass man nicht gröβer wird, indem man andere kleiner macht und zum Glück anderer Menschen trägt es auch nicht bei.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen nur alles Gute.
Simone Kussatz