Die über 40 Jahren ist die Krimi-Reihe „Tatort“ die ausdauernste aller deutschen TV-Serien. Der Erfolg beruht mit auf dem Konzept der Verteilung der einzelnen Folgen nach einem genau festgelegten Schlüssel auf die einzelnen Sender der ARD. Dadurch sind einerseits Vielseitigkeit und andererseits die Garantie für ein einheitliches Konzept gegeben. Natürlich war da nicht immer alles Gold was glänzt! Aus dem Fundus einiger Hundert „Tatort“-Folgen, sind jetzt die besten auf DVD veröffentlicht worden. Aparter Weise vom deutschen Ableger der Walt Disney-Studios. In der Zusammenstellung in einzelne Boxen mit mehreren DVDs lässt auf interessante Weise auch die jüngste Geschichte der Bundesrepublik Revue passieren – gewissermaßen aus der Perspektive der fiktiven Mordkommissionen der einzelnen Bundesländer. Besonders spannend ist die „Berlin Box“ ausgefallen:
Immer gepflegt, höflich zu seinen Mitarbeitern, Vorgesetzten, Zeugen, ja selbst zu Tatverdächtigen: Hans Georg Bülow alias Heinz Drache war der Gransignieur unter den Tatort-Kommissaren. Zwischen 1981 bis 1989 für den damaligen SFB am „Tatort“ – als Kontrapunkt zum Proll Horst Schimanski vom WDR: In „Keine Tricks, Herr Bülow“ wird der Kommissar zu einem Banküberfall mit Geiselnahme gerufen. Gewohnt versiert bringt Bülow die Angelegenheit zu einem guten Ende.
Doch auf dem Kommissariat warten ungleich kompliziertere Aufgaben auf ihn und seine Assistenten. Seit längerem sind sie einem Serien-Killer auf der Spur. Jetzt ist auch noch eine Bülow persönlich bekannte Wirtin entführt worden. An einem Grundstück an der Berliner Mauer wird ihre Leiche gefunden. Damit kommen die Ermittler der Sache schon näher…
Routinier Jürgen Roland hat „Keine Tricks, Herr Bülow“ 1989 im Stil westdeutscher Krimiunterhaltung im Fernsehen inszeniert. Mit heutigen Augen betrachtet, ist ihm ein erstaunlich dichtes Streiflicht auf die Atmosphäre in Westberlin als geteilter Stadt gelungen. Eine Stadt in der die Ausnahme zur Regel geworden ist. Im Bonusteil der DVD eine TV-Bericht zu den Dreharbeiten und ein Studiogespräch zum 75. Geburtstag Heinz Draches.
„Keine Tricks, Herr Bülow“ war der letzte Bülow-Tatort. Die Zeiten hatten sich für Deutschland dramatisch verändert. Die „Wende“ brauchte einen neuen, Gesamtberliner Kommissar. Der hieß ab 1991 Franz Markowski und wurde von Günter Lamprecht als Urberliner verkörpert. Einer der die Folgen der neuen Zeit mit Skepsis betrachtet. In der „Tatort-Berlin-Box“ ist mit „Berlin-Beste Lage“ einer der besten Filme der Endlosreihe ent-halten. Regisseur war Matti Geschonneck, der Sohn des berühmten Brecht-Schauspielers Erwin Geschonneck. Er begann damit seine Karriere als einer der vielseitigsten und besten deutschen TV-Regisseure:
In Ostberlin herrscht Goldgräber-Stimmung: Eine große Zeit für Immobilienhaie und kleine Fische, die plötzlich zu Grund-und Boden und damit viel Geld gekommen sind. Um freilich an den neuen Reichtum zu kommen, müssen erst einmal die bisherigen Mieter aus dem kostbaren Besitz vertrieben werden. Teuer renovieren oder gleich abreißen und neu bauen ist die Devise des Tages. Jürgen Printz ist einer der über Nacht zu Geld gekommen ist. Selbst sein bester Freund scheint da im Wege gewesen zu sein. Er heißt Seelitz und jetzt ist er tot: Kommissar Markowitz bekommt es mit den dubiosen Geschäften des Herrn Printz und Konsorten zu tun.
Als schließlich Printz tot aus dem Landwehrkanal geborgen wird, zeigt sich, dass auch er Opfer der Verhältnisse geworden ist, die bis in die NS-Vergangenheit zurück reichen. Zeitgeschichte als Hintergrund für einen Sonntagabendkrimi gab der Reihe „Tatort“ eine neue Dimension und neue dramaturgische Möglichkeiten. Es war der 400. Fall. Darüber berichtete sogar die „Tagesschau“. Der entsprechende Bericht“ gehört zu den Extras der DVD „Berlin – Beste Lage“.
Inzwischen ist Berlin Bundeshauptstadt: Manfred Körner hat viel vor: der agile Jungpolitiker strebt das Amt des Parteivorsitzenden an. Dagegen setzt sich der bisherige Amtsinhaber Paulsen vehement zur Wehr. Tagespolitik und der Sumpf am Rande der bundesdeutschen Gesellschaft machte Ralph Bohn 2004 zum Thema seines mehrfach ausgezeichneten „Tatorts“ „Ehrliche Haut“, der von Jürgen Haase und der Provobis für den RBB produziert wurde.
Bei einer Talk-Runde im Fernsehen kommt es zwischen Körner und Paulsen zu einem unschönen Schlagabtausch zwischen den beiden Politikern.
Auf der Heimfahrt passiert es: Körner scheint einen Passanten überfahren zu haben. Weil ihm seine Freundin während der Fahrt an die Wäsche gegangen ist und damit seine Aufmerksamkeit ablenkte, verwickelt sich der Politiker bei der Polizei in Widersprüche. Seine Lage verbessert sich nur unwesentlich, als sich heraus stellt, dass der Mann bereits tot war, als er ihn überfahren hat.
Unversehens gerät Körner in einen Sumpf der Berliner Unterwelt. Sein Konkurrent Paulsen versucht daraus nämlich mit Hilfe eines Sensationsreporters politisches Kapital zu schlagen. Doch die beiden Kommissare Till Ritter (Dominic Raacke) und Felix Stark (Boris Aljinovic) behalten einen klaren Kopf, selbst wenn die Übersicht schwer fällt.
Politik und das Spiel mit der Macht in einem gesellschaftlichen Vakuum wurde in „Ehrliche Haupt“ zu einer authentischen Beschreibung der Ver-hältnisse. Wer hier versucht, seine „ehrliche Haut“ zu retten, gerät ganz schnell ins Abseits. Mit dieser nüchternen und wenig beruhigenden Bot-schaft entlässt Ralph Bohn den Zuschauer. Nach der Sendung am 4. Januar 2004 direkt zu Sabine Christiansen, die damals noch den Sonntag-Abend-Talk im Ersten moderierte und in diesem „Tatort“ einen Gastauftritt hat. Die sorgfältig edierte „Tatort-Berlin-Box“ enthält drei Highlights der Serie. Obwohl sie tagesaktuell produziert wurden, gelangen hier Klassiker des Genres, die in Form und Inhalt Bestand haben. Preis für die 3-Dic-Box: 26 € – Einzeln: je 12.99€.
Dazu der Beitrag aus der Reihe SWR cont.ra DVD:[media id=149 width=30 height=20]