Am Rande der Berliner Filmfestspiele hatte eine – nur was das Budget betrifft – „kleine“ Produktion gestern eine Aufsehen erregende Premiere: „Stuttgart 21 – Denk mal!“ von Lisa Sperling und Florian Kläger. Angeregt hat sie der Stuttgarter Produzent Peter Rommel, der vor allem durch seine Zusammenarbeit mit Andreas Dresen bekannt geworden ist und ein Gespür für junge Talente hat.
Stuttgart demonstriert: Die Bilder sind nicht neu und im letzten Jahr oft zu sehen gewesen. Der Protest gegen das Projekt Stuttgart 21 ist auch ein Medienereignis. In der Flut der Bilder war es an der Zeit, zu Ordnen, Bilanz zu ziehen. Diese Aufgabe haben sich Lisa Sperling und Florian Kläger bei ihrem Film „Stuttgart 21 – Denk mal!“ gestellt. Angeblich erst im Laufe der Dreharbeiten. Spontan haben sich die Beiden eine Kamera geliehen und sich an die Arbeit gemacht. Ganz so spontan wohl doch nicht. Sonst wäre das Ergebnis kein derart spektakulärer Dokumentarfilm.
Die beiden Nachwuchsfilmemacher – sie sind Anfang 20 – begnügten sich nicht mit dem allgemeinen Abfilmen der Montagsdemonstrationen, sondern haben sich auf einzelne Demonstrationsteilnehmer konzentriert. Zum Beispiel auf ein blindes Ehepaar, einen pensionierten Banker oder den Stuttgarter Kolumnisten Joe Bauer. Die äußern Ärger und Betroffenheit, was sie umtreibt angesichts der Arroganz der Macht. Das ist versiert auf Augenhöhe gefilmt.
Im besten Sinne zurückhaltend verbinden Lisa Sperling und Florian Kläger bei „Stuttgart 21 – Denk mal!“ subjektive Erfahrungen mit der neuen gesellschaftspolitischen Qualität dieser Protestbewegung und ganz und gar unspektakulären Bildern, die dadurch umso wirkungsvoller sind.
Sie zeigen vom politisch gewollt brutalen Polizeieinsatz gegen friedliche Demonstranten am 30. September nur die Auswirkungen vom Rande. Der Nordflügel des eigentlich denkmalgeschützen Stuttgarter Hauptbahnhofs fällt im Zeitraffer. Das macht den – wiederum – brutalen – Umgang mit Geschichte sinnfällig. Kommentar überflüssig! Es reicht, wenn der Stuttgarter OB Schuster bei der Eröffnung des Cannstatter Volksfestes zynisch über die Demonstranten herzieht. Ein Beispiel dafür, wes Geisteskinder hier die Macht im Staate vertreten…
Da wird auch dem Nicht-Stuttgarter klar, um was es hier geht! Da braucht es nicht das Memorieren greiser Schlichtersprüche und Ähnlichem. Der Film „Stuttgart 21 – Denk mal!“ ist ein Schlaglicht auf die Verhältnisse im besten Sinne: Ein Dokumentarfilm auf hohem Niveau.
Umso erstaunlicher als es sich dabei um die Arbeit von Autodidakten handelt. Zwar immer schon dem Film zu geneigt, haben sowohl Lisa Sperling als auch Florian Kläger erst jetzt mit einem entsprechenden Studium in Hamburg bzw. in Ludwigsburg begonnen. Auf die hochtalentierten Filmemacher wird man achten müssen!