Mit dem Ludwigshafener „Preis für Schauspielkunst 2011“ wurde gestern Abend im Rahmen des diesjährigen „Festivals des deutschen Films“ Andrea Sawatzki ausgezeichnet. Die Schauspielerin ist vor allem durch ihre Rolle als Kommissarin Charlotte Sänger im „Tatort“ aus Frankfurt bekannt geworden, aus der sie sich nach über acht Jahren verabschiedet hat. Darüber hinaus machte sich Andrea Sawatzki als vielseitige Charakterdarstellerin in anspruchsvollen Fernsehspielen wie „Helen, Fred und Ted“ oder „Klimawechsel“ einen Namen.
Festival-Chef Michael Kötz würdigte auf der Ludwigshafener Parkinsel vor über 1000 Besuchern Andrea Sawatzki als eine der vielseitigsten und intensivsten deutschen Schauspielerinnen der Gegenwart. Wörtlich sagte er:
„Und unter all den Schauspielerinnen und Schauspielern Deutschlands, die eifrig daran arbeiten, überzeugend zu sein, wie man so sagt, da gibt es eben eine, die schafft das wie nurwenige andere scheinbar mühelos: mit einer Eindringlichkeit und Präsenz, die einenmanchmal verblüfft und bei stockendem Atem auf die Leinwand oder den Bildschirm starren lässt.“
Neben den toughen „Tatort“-Kommissarinnen Odenthal oder Lindholm war Andrea Sawatzkis Charlotte Sänger eine verstörte Persönlichkeit am Rande des Nervenzusammenbruchs, mit einer Fassade, die nur mühsam aufrecht erhalten wurde.
Dabei hat Andrea Sawatzki ihre Charlotte Sänger über die acht Jahre ihrer „Tatort“-Amtszeit ständig weiter entwickelt: Noch einmal Michael Kötz:
„Andrea Sawatzki war eben eine Tatort-Kommissarin aus Frankfurt, bei der man wahrhaftig nie das Gefühl hatte, sie stünde über den Dingen, sozusagen als Herr der Lage. Eher war es so, dass sie diese Charlotte Sänger in den Verhältnissen, die sie aufzuklären hatte, stets selbst zu versinken drohte, so, als sei sie immer gleichzeitig auch ein Opfer: Opfer der Assoziationen, der Ängste und Wünsche, die die Erlebnisse in ihr auslösten. Man hatte regelrecht Angst um sie gelegentlich. Kein Wunder also, dass die Menschen, die sie im Alltag traf, zumeist ganz sicher waren, sie sei bei der Polizei und sie mit Frau Sänger anredeten. Man kann das belächeln, als Zeichen von wenig Reflexionsvermögen ansehen, sollte man aber nicht.
Denn diese Fans hatten etwas ganz und gar Wahres erkannt: nämlich die unglaubliche Nähe zur bloß gespielten Persönlichkeit der Kommissarin, die Andrea Sawatzki herzustellen vermochte, die Authentizität durch Brüchigkeit, die sichtbare Unsicherheit, die man Persönlichkeit nennt, das Unfertige, das Offene, das Sich-Selbst-Nicht-Erkennende. Man kann allein diese Tatortfolgen als Beweismittel ihres grossen künstlerischen Vermögens sehen – und man könnte sie ausstellen als Gegenstücke zum naiven Heldenkino des Mainstream.“
Nachdem sich Andrea Sawatzki im Korsett der „Tatort“-Serie zunehmend eingeengt fühlte, zog sie kluger Weise die Konsequenzen bevor es zu spät war und beendete von sich aus die Rolle, um nach neuen Ufern Ausschau zu halten.
Eben hat Andrea Sawatzki die Dreharbeiten zu „Glück“ abgeschlossen, die Verfilmung einer Erzählung von Ferdinand von Schirach durch Doris Dörrie. Nach „Klimawechsel“ ihre zweite Zusammen-arbeit mit der Regisseurin. „Glück“ wird voraussichtlich bei den Berliner Filmfestspielen 2012 Premiere haben und mit einer weiteren Facette im schauspielerischen Können der Sawatzki überraschen.
Dazu ein Gespräch mit Andrea Sawatzki, das Herbert Spaich am Rande der Preisverleihung mit der Schauspielerin führte: Zu ihrem Selbstverständnis als Schauspielerin sagte sie: [media id=210 width=320 height=20]
Nils
Vollkommen verdient wie ich finde. Eine der Besten deutschen Schauspielerinnen
herbertspaich
Auch ein schöner Anlaß, zu den auf DVD erschienenen Sawatzki-Filmen zu greifen: zum Beispiel ist „Scherbentanz“ von Chris Kraus nicht nur wegen Jürgen Vogel im Hosenrock, sondern Dank Andrea Sawatzkis schauspielerischer Leistung ein zeitloses Ereignis!