Es gibt kaum einen Preis, den Otto Sander im Laufe seiner Karriere nicht bekommen hätte. Seit über 40 Jahren gehört er zur ersten Garnitur deutscher Schauspieler – vielseitig und dabei immer er selbst. Souverän wie kaum ein anderer beherrscht Otto Sander die ganze Bandbreite seines Berufs. Heute wird er 70.
Ein geistig behinderter junger Mann wird als sogenannter “Dorfdepp” seelisch und körperlich grausam drangsaliert: davon handelt der Kurzspielfilm „Ludwig“, den Roland Klick 1964 drehte. Das Frühwerk des „Jungen deutschen Films“ wurde mehrfach ausgezeichnet. Neben Klicks klarem Blick auf alltägliche Gewalt, beeindruckte vor allem die Verkörperung stillen Leids durch den Hauptdarsteller Otto Sander. Der 23jährige studierte damals in München Theaterwissenschaften und war von Roland Klick auf der Straße „entdeckt“ worden. Erst nach dem Erfolg als „Ludwig“ besuchte Sander eine Schauspielschule.
Otto Sander brillierte schon bald auf den wichtigsten deutschen Bühnen – in der berühmten Peter-Stein-Inszenierung von Gorkis „Sommergäste“ an der Berliner Schaubühne 1975 mit dabei. Sander war neben Bruno Ganz inzwischen einer der Stars der deutschen Theaterszene des Jahrzehnts.
Auch im Kino ist er regelmäßig zu sehen: zum Beispiel in Schlöndorffs „Blechtrommel“ zu sehen. So richtig populär wird Otto Sander aber erst 1981
In Petersens „Boot“ spielt er als Kapitänleutnant Philipp Thomsen zwar „nur“ eine Nebenrolle, aber er hat gleich zu Beginn einen grandiosen Auftritt, der in Erinnerung bleibt.
Danach ist Sander als Karl Liebknecht in „Rosa Luxemburg“ von Margarete von Trotta zu sehen, als Richard Wagner bei Peter Patzak. Der Schauspieler verkörpert sie als Zerrissene, Zweifler, die an ihren Ansprüchen zu scheitern drohen. Dabei scheint immer auch etwas von Otto Sander selbst durch: Ein hochsensibler Künstler, der schwer lebt und dem in Folge dessen Krisen mehr als vertraut sind.
Seine persönlichste und damit schönste Rolle spielte er 1987 als Engel Cassiel in Wim Wenders „Himmel über Berlin“ und „In weiter Ferne so Nah“: Der Engel möchte nicht mehr Engel sein.
Nach dem Erfolg der beiden Filme gehört Otto Sander zu den am meisten beschäftigen deutschen Schauspieler: Im Kino, auf dem Theater, er synchronisiert unter anderem Dustin Hoffman und spricht Hörbücher von Theodor Fontane bis Ernest Hemingway. Dabei ist ihm das damit verbundene öffentliche Interesse an seiner Person zu viel und eher lästig.
Er fühlt sich getrieben. Eine schwere Krankheit zwingt Otto Sanders vorübergehend kürzer zu treten. Nach seiner Genesung 2007 ist er wieder da – nicht mehr ganz der Alte: Ruhiger, gelassener. So spielt Sander am Berliner Renaissance-Theater den alten Mann in „Das letzte Band“ von Samuel Beckett und in Bochum Thomas Bernhards „Der Ignorant und der Wahnsinnige“. Da ist er sich selbst ganz nah. Das sind immer Große Momente mit einem großen Schauspieler: wünschen wir Otto Sander und uns, noch viele solcher Momente!