Werner Herzog gehörte gegen Ende der 1960er Jahre zu den Vertretern des „Jungen deutschen Films“, die schnell zu internationaler Berühmtheit gelangten. Seine Zusammenarbeit mit Klaus Kinski ist Filmgeschichte. Nicht nur im Spielfilm, sondern auch im Dokumentarfilm wies Herzog neue filmische Wege. In den letzten Jahren hat er sich von Deutschland zunehmend entfremdet. Das bedeutete nicht, dass Werner Herzog unproduktiv gewesen wäre. Ganz im Gegenteil: leise und ein weinig öffentlichkeitsscheu etablierte er sich in den USA. Den Weg in die Kinos der Heimat fanden seine Filme selten – von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen. Ab 3. November 2011 wird sein umstrittener Versuch mit 3D bei der Höhlendokumentation „Cave of forgotten dreams/Die Höhle der vergessenen Träume“ zu sehen sein. Wer die anderen jüngeren Filme Herzogs kennenlernen will muss zu DVDs greifen. Hier eine Auswahl:
Obwohl Werner Herzogs „Rescue Dawn“ 2006 international hoch gelobt wurde und mit Christian Bale in der Hauptrolle prominent besetzt ist, fand sich dafür in Deutschland kein Filmverleih. Sony veröffentlichte den Film als DVD-Premiere.
Der Deutsch-Amerikanische Pilot Dieter Dengler (Christian Bale) hat Pech: 1965 am Anfang des Vietnamkrieges wird er mit seinem Bomber über Laos abgeschossen. Er überlebt zwar, gerät aber in Gefangenschaft einer laotischen Miliz. Ihr Anführer versucht es zunächst im Guten mit dem etwas naiven jungen Mann. Aus Unsicherheit und einer gewissen Art von Patriotismus weigert sich Dengler das Schuldeingeständnis zu unterschreiben. Er kommt in ein entlegenes Kriegsgefangenen-Camp im Dschungel.
Bald geht es für ihn und seine Mitgefangenen um Leben und Tod. Die Bewacher drohen auf Grund der Lebensmittelknappheit mit der Exekution der Männer. Sie wagen den Ausbruch. Nach einer langen Odyssee durch den Dschungel wird Dieter Dengler schließlich von einem Aufklärer der US-Army entdeckt und gerettet.
„Rescue Dawn“ ist ein typischer Herzog-Film, mit einem typischen Herzog-Helden. Selbst oder gerade weil das Ganze einen realen Hintergrund hat. Einer, nicht ganz von dieser Welt, dabei immer auf der Suche nach Grenzerfahrungen. Der Vietnam-Krieg spielt in diesem Fall die Rolle einer tödlichen Bedrohung des Einzelnen, der er haltlos ausgeliefert und letztlich zum Scheitern verurteilt ist. Denglers Rettung ist deshalb nicht endgültig – der Krieg geht weiter.
Im Bonusteil der DVD gibt Herzog dazu ebenso Auskunft wie über die Dreharbeiten – die – wie immer bei diesem Regisseur – ziemlich dramatisch abliefen.
2009 überraschte Werner Herzog mit einem Remake von Abel Ferraras „Bad Lieutenant“ – einem Schlüsselfilm des amerikanischen Kinos der frühen 1990er Jahre. Harvey Keitel spielte damals einen Polizisten, der an seinem Beruf zu zerbrechen droht. Das im Mittelpunkt von Herzogs „Bad Lieutenant“ auch ein Cop steht, ist die einzige Gemeinsamkeit zu Ferraras Film – Ort der Handlung ist New Orleans in der Zeit des Orkans Katrina.
Weil er einem Häftling während der Flutkatastrophe das Leben rettet, wird Terence zum Lieutenant befördert. Eigentlich ist er für Schwerkriminalität zuständig. Im Moment gilt es das Massaker an einer afrikanischen Großfamilie auf zu klären.
Nachdem sich Terence bei seiner Rettungsaktion eine dauerhaft schmerzhafte Rückenverletzung zu gezogen hat, kann er nicht mehr ohne Schmerzmittel auskommen – drogenabhängig war schon vorher. Jetzt entgleitet ihm aber sein Leben Stück für Stück.
Werner Herzog lässt seinen Borderline-Cop immer tiefer im Sumpf einer bösen Welt versinken – unter den düsteren Regenwolken über New Orleans. Nicolas Cage spielt den Geschlagenen, für den es wenig Hoffnung gibt. Dabei führt Herzog ein verstörtes Amerika vor, das ein klammes Gefühl hinterlässt. Ein seltsamer, unheimlicher Film. Dabei natürlich außergewöhnlich spannend.
Gab Herzogs „Bad Lieutenant – Cop ohne Gewissen“ wenigstens ein kleines Gastspiel in deutschen Kinos, wurde auf einen Start von „My Son, My Son, what have ye done“ ganz verzichtet. Den Film gibt es von Arthaus als DVD/Blu-Ray-Premiere. Zu entdecken ist eine der interessantesten Arbeiten des Regisseurs der letzten Zeit – inhaltlich wie formal. Produziert wurde er von David Lynch. Es fängt ganz harmlos mit einer Bootsfahrt im peruanischen Dschungel an.
In einer raffinierten Rückblenden-Montage erfährt der Zuschauer Einzelheiten über den jungen Mann, der Brad heißt, eine Freundin und einen Mutterkomplex hat.
In einem Befreiungsschlag im wahrsten Sinne des Wortes hat Brad seine Mutter mit einem Samuraischwert umgebracht und sich in einer Nachbarvilla in San Diego vor der Polizei verschanzt. Unter der strahlenden Sonne Californiens entfaltet Herzog einmal mehr das Psychogramm einer multiplen Persönlichkeit, die diesmal von Michael Shannon gespielt wird. Mit von der Partie ist auch Udo Kier, der einen Schauspieldirektor verkörpert und das Unheil kommen sah…
Vor Ort wird der Mordfall von Detective Havenhurst bearbeitet – dargestellt von Willem Dafoe. Er versucht Brad zu überreden, aus seinem Versteck zu kommen und sich zu stellen. Schließlich hat er Erfolg, der ihn aber nicht wirklich glücklich macht.
Die DVD/Blu-Ray mit „My son, my son, what have ye done“ handelt von einem weiteren amerikanischen Alptraum aus der Sicht Werner Herzogs. Dass ihm die Arbeit an der bizarren Geschichte großen Spaß gemacht hat, verrät der Regisseur im Audiokommentar.
Noch produktiver als im Spielfilmbereich, ist der Dokumentarist Werner Herzog. Auch dabei gilt sein besonderes Interesse dem Ungewöhnlichen, dem möglichst noch nie gezeigten. So in seinem Film „Begegnungen am Ende der Welt“ über eine Forscherenklave in der Arktis.
„Discovery Channel“ hat Herzogs faszinierende Expedition „Begegnungen am Ende der Welt“ in einer schönen 2-Disc-Edition veröffentlicht – mit einem ausführlichen Extrateil auf der zweiten Disc. Wenig Bekanntes von Werner Herzog aus jüngster Zeit: „Rescue Dawn“, „Bad Lieutenant“, „My Son, my son, what have ye done“ und „Begegnungen am Ende der Welt“ : Kostenpunkt: zwischen 7 und 29 Euro.