Mit knapp einer Million Zuschauern in 14 Tagen ist die französische Produktion „Ziemlich beste Freunde“ von Eric Toledano und Olivier Nakache die Sensation der Kinosaison. Zu Hause in Frankreich haben die Multikulti-Komödie bereits 20 Millionen gesehen, das macht die lockere Freundschaftsgeschichte zwischen einem querschnitts-gelähmten Millionär und seinem farbigen Krankenpfleger zu dem zweiterfolgreichsten Film des Landes – nach „Willkommen bei den Sch’tis“. Dabei haben heitere Filme zum ganz und gar nicht lustigen Thema des nicht selten schwierigen Zusammenleben von „Menschen mit Migrationshintergrund“ – wie es heißt – und Einheimischen im europäischen Kino Tradition. Drei Beispiele aus den letzten beiden Jahren sind eben vom Tübinger Arsenal-Filmverleih auf DVD.
Dino Fabrizzi ist ein Bild von Mann – durchgestylt vom Scheitel bis zur Sohle – vom gepflegten Dreitagebart, über das goldene Halskettchen auf der behaarten Brust unterm offenen Designer-Hemd, bis zum „Gewissen Etwas“ gegenüber dem anderen Geschlecht. Unwiderstehlich charmant und stets guter Laune. Das Ideal des Italieners, wie man ihn neben Pizza und Pasta im Ausland schätzt. Auch in Frankreich, wo Fabrizzi als Autoverkäufer seine Brötchen verdient.
Dino, der Mann für alle Lebenslagen: So startet „L’Italien“ – deutscher Verleihtitel „Fasten auf Italienisch“. Gedreht hat ihn Olivier Baroux mit Kad Merad, einem der populärsten Komödianten Frankreichs. Bekannt unter anderem aus den „Sch’tis“. Der Zuschauer ahnt von Anfang an, Dino ist zu schön um wahr zu sein:
Dino Fabrizzi heißt in Wirklichkeit auch nicht Dino Fabrizzi; sondern Mourad Ben Saoud. Er ist auch nicht Italiener, sondern stammt aus dem Magreb. Seine Familie lebt als Migranten in Marseille. Auch ihr flunkert Mourad etwas vor. Für sie hat er es in Italien zu Geld und Ansehen gebracht.
Doch jetzt ist Schluss mit Lustig: Weil seinem Papa, auch in der Fremde praktizierender Muslim, nach einem Herzinfarkt ärztlich untersagt wurde, während des Ramadan zu fasten, soll das diesmal sein Ältester, also Mourad, für ihn tun.
Damit gerät alles durcheinander: Das profilneurotische Image als Italiener bzw. als laisiertem Muslim in Frankreich bedarf peinlicher Erklärungen. Die Wahrheit muss an den Tag, so schwer es fällt. In „Fasten auf Italienisch“ prallen Lebenswelten aufeinander; geht es um richtige oder falsche Integration; die kulturellen Wurzeln und wie man damit (nicht) umgeht.
Bei aller Leichtigkeit und unwiderstehlichem Charme in Form und Ausdruck, bleibt bei „Fasten auf Italienisch“ ein ernster Kern. Der Regisseur gibt also nicht leichtfertig sein Thema vordergründigen Lachern preis. Ein Vorwurf, den sich die Macher von den „Ziemlich besten Freunden“ gefallen lassen müssen!
„Fasten auf Italienisch“ macht mehr Mut, eine multikulturelle Gesellschaft mit ihren faszinierenden Möglichkeiten im Rahmen seiner Möglichkeiten zu leben. Ein Film, der immer wieder gut tut. Es gibt ihn von Arsenal auf DVD: mit der deutschen und der französischen Fassung, die den besonderen Charme dieses Films natürlich erst so richtig zum Ausdruck bringt!
Seit Jahrzehnten ist die Schweiz das Traumland der Sehnsucht im indischen Film: vor allem das Berner Oberland ist beliebt, wenn es gilt, in Bollywoodfilmen Exotik vorzuführen. Es war also an der Zeit, dass sich Schweizer Filmemacher dafür revanchierten!
Oliver Paulus drehte 2010 „Tandori Love“ über ein Indisch-Schweizer Arrangement und die wechselseitige Verführung durch einheimische und fremde Gaumenfreuden. Auf DVD jetzt ebenfalls von Arsenal.
Vor üppiger Schweizer Almkulisse wird ein Schmachtmelodram gedreht. Im gutbürgerlichen Gasthof „Zum Hirschen“ bereitet der indische Team-Koch das Catering für das stattliche Filmteam. Dabei kommt er der adretten Kellnerin Sonja näher und die Film-Diva der Schweizer Küche. Es tut sich also Revolutionäres im „Hirschen“ – unter den argwöhnischen des Stammtisches…
Trotz bösem Omen kommt das indische Wunder im Berner Oberland zustande. „Tandori Love“: Bollywood trifft augenzwinkernd den Schweizer Heimatfilm. Mit sichtlichem Spaß präsentieren Oliver Paulus und sein Drehbuch-Autor Stefan Hillebrand – beide studierten übrigens an der Ludwigsburger Filmakademie – ein fröhliches Potpourri einschlägiger Klischees.
Da wird aus heiterem im Migros-Supermarkt gesungen und getanzt; die geht zum Takt der Musik über den Alpengipfeln die Sonne auf. Bevor dann alles gut wird, sinken sich die unglücklich Liebenden im Hof vom „Hirschen“ bei strömendem Regen in die Arme. Also: „Tandori Love“ ist der perfekte Film zum indischen Abendessen…
Multikulti aus schließlich aus ganz anderer, nämlich: taiwanesischer Perspektive: in „Au revoir Taipeh“ von Arvin Chen. Auch das ein Film, der mit diskretem Witz mit Fremdheit und Nähe, Vorurteilen und unverhofften Gemeinsamkeiten umgeht.
Kai versucht alles, um bei seiner Freundin in Paris zu sein. Aber Frankreich ist weit und das Heimische liegt zwangsläufig nah. Zum Beispiel die zauberhafte Verkäuferin im Buchladen. Dann bietet ihm sein krimineller Bruder finanzielle Unterstützung an. Allerdings müsste Kai ein kleines Päckchen mit auf die Reise nehmen.
Hinter dem Päckchen – wir ahnen, was es wohl enthalten mag – sind auch andere her. Regisseur Chen spielt bei „Au revoir Taipeh“ mit den Stilmitteln kitschiger taiwanesischer Fernsehserien und machte daraus einen zauberhaften Film über Liebe in einer globalen Welt mit einem ganz eigenen, höchst sympathischen Humor. Produziert wurde er 2009 von Wim Wenders. Interview-Statements von ihm enthält der Bonusteil der DVD.
Wohlfühlfilme für jede Gelegenheit: „Au revoir Taipeh“, „Tandori Love“ und „Fasten auf Italienisch“ von Arsenal auf DVD. Preis jeweils rund 15 Euro.