Mitte der 1960er Jahre machten italienische Regisseure mit fomal originellen und dabei billig produzierten Filmen dem uramerikanischen Western Konkurrenz. Dabei ging Dutzendware mit Meisterwerken Hand in Hand. Nach kurzer Zeit war es mit dem „Spagetti- freundlicher – Italowestern – auch schon wieder vorbei. Die Auswirkungen des Genres auf den weiteren Verlauf der Filmgeschichte ist jedoch enorm. Regisseure wie Quentin Tarantino wären ohne „Django“ oder „Für eine Handvoll Dollar“ nicht denkbar. Auf DVD werden inzwischen Italowestern in großem Stil abgeboten, die Freude beim Ansehen ist jedoch häufig getrübt.
Nach dem sich Koch Media in den letzten Jahren um das Erbe des „Italo-Westerns“ in den bestmöglichen Fassungen auf DVD verdientgemacht hat, stieg man auch bei Kinowelt in die Archive. Und wurde fündig. Zwar war das Eine oder Andere auch schon früher veröffentlicht worden – jetzt wurde Altes und Neues als „Western Klassiker“ in bislang vier Boxen neu unter die Leute gebracht. Dabei wurde der filmhistorische Zusammenhang ebenso großzügig außen vor gelassen, wie die technische Qualität der Vorlagen. Angesichts des Standards, den der Verbraucher von Arthaus-Kinowelt ansonsten gewohnt ist, wurde das Niveau bisweilen dramatisch unterschritten. Die meisten „Klassiker“ erinnern an das, was Billiglabel in Baumärkten anbieten. Da scheint diese Reihe allerdings auch hin zu steuern.
Neben den Dollarfilmen und „Spiel mir das Lied vom Tod“ von Sergio Leone ist Sergio Corbuccis „Django“ nicht nur ein Höhepunkt des Genres, sondern des europäischen Films der 1960er Jahre insgesamt. Der Film kam 1966 in die Kinos und transportiert auf der Folie des klassischen Western-Topos vom einsamen Rächer, wie kaum ein Anderer den damaligen Zeitgeist.
Der schweigsame Held (Franco Nero) kommt nicht hoch zu Ross, sondern zu Fuß in ein marodes Westernkaff an der Grenze zu Mexiko, an dem der Fortschritt der Neuen Zeit vorbei gegangen ist. In einem Sarg führt er ein MG mit sich. Das Symbol der Durchschlagkraft einer neuen Ära. Das einzige Unternehmen, das noch am Ort floriert ist das Bordell. Gangster liefern sich einen Privatkrieg. Für ihre korrupten Chefs ist Django kein Unbekannter. Das Wiedersehen ist keine reine Freude.
Zwar überlebt Django ziemlich lädiert den finalen Showdown, aber der Goldschatz, hinter dem alle her waren, ist unwiederbringlich im Morast versunken
Nach dem Kinowelt „Django“ bereits vor einiger Zeit die ungekürzte 18er-Fassung veröffentlicht hat, gibt es ihn in der Klassiker-Box wieder die gekürzte Version. Aus dem einfachen merkantilen Grund, um sie ab 16 verkaufen zu können. Es handelt sich bei den Kürzungen zwar nur um wenige Minuten, aber bei einem „Klassiker“ dieser Kategorie geht es ums Prinzip. Zumal damit das Elend nicht aufhört.
Zwar wird neben der hanebüchen verfälschten deutschen Synchronfassung auch das italienische Original angeboten, als Vorlage für die Untertitel diente aber das deutsche Synchron-Script. Prominentestes Beispiel: bei der versuchten Exekution Djangos durch einen amerikanischen Marshall, spricht der die Segensformen „Im Namen des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes“. In der deutschen Fassung schweigt er bzw. verkündet unverbindlich Rache…
Ein weiterer Makel auf der Tonebene ist der englische Titel- Song. Das italienische Original wird unterschlagen. Doch damit nicht genug: optisch sind beide Fassungen eine Katastrophe! Artefakte die Masse, ausgebleichte Farben, grieselige bis farbstichige Bilder verweisen auf eine VHS als Ausgangsmaterial. Es wäre also äußerst verdienstvoll, wenn sich Kinowelt und ihre französische „Mutter“ StudioCanal entschließen könnten, den Klassiker „Django“ in einer angemessenen Premium-Edition aufzulegen…
Mehr Mühe als bei „Django“ hat sich Kinowelt bei „Gli secialisti“, den Sergio Corbucci 1969 gedreht hat und der unter dem zeittypischen Titel „Fahrt zur Hölle, ihr Halunken“ in die deutschen Kinos kam und zwar über eine viertel Stunde gekürzt. Die Kinowelt-Edition enthält die ungekürzte Fassung, allerdings in Französisch und nicht das italienische Original. In die deutsche Version wurden die seinerzeit entfernten Teile aus der französischen Synchronfassung wieder eingefügt. Daran zeigt sich einmal mehr, dass willkürlich die Schere angesetzt wurde.
„Fahrt zur Hölle, ihr Halunken“ ist eine italienisch, französisch, deutsche Koproduktion. In einer verelendenden Gesellschaft wird ein dubioser Einzelgänger zum Hoffnungsträger. Er bekommt es nicht nur mit der örtlichen Mafia, sondern mit einem paranoiden mexikani-schen Badenchef zu tun.
Der Pistolero wird von dem französischen Schlager-Star und Nebenbei-Schauspieler Johnny Hallyday verkörpert, der schlitzohrige Mexikaner von Mario Adorf. Dabei hat sich weder Hallyday in der französischen, noch Adorf in der deutschen Fassung selbst synchro-nisert. Zeit und Geld waren bei „Fahrt zur Hölle, ihr Halunken“ anscheinend besonders knapp.
Da reichte es nicht einmal für die Reise zu den traditionellen Italo-Western-Sets ins spanische Almeria. Corbucci blieb zu Hause und drehte in den Alpen bei Cortina d’Ampezzo. Als europäischer Hochgebirgswestern eine Kuriosität der Filmgeschichte. Wie der Regisseur aber aus der Not eine Tugend machte, ist absolut sehenswert. Leider ist die auf der DVD angebotene Fassung wiederum in einem ziemlich trostlosen Zustand.
Da fällt „I giorni dell’ira/Der Tod ritt dienstags“ nachgerade angenehm aus dem Rahmen. Tonino Valeriis Film aus dem Jahr 1967 gehört künstlerisch zu den Höhepunkten des „Italo-Westerns“. Eine originelle Parabel über Macht und Abhängigkeit.
Als Bonus dieser mittelprächtigen Edition von „Der Tod ritt Dienstags“ gibt es das Presseheft als PDF-Datei dazu. Ansonsten ist in den Western-Klassiker-Boxen unter anderem John Sturges Ausflug in die Gefilde des Italowesterns 1973 mit „Wilde Pferde“ und Charles Bronson und Robert Altmans originelle Hommage an den Western-Mythos „Buffalo Bill und die Indianer“ von 1976 aufgenommen worden.
Im Prinzip eine gute Idee, die zeigt, wie die Impulse der italienischen Kollegen in Amerika auf fruchtbaren Boden fielen. Am Beispiel von zwei ausgesprochen schönen Filmen – deren optischer Genuss sich freilich ebenfalls in engen Grenzen hält. Doch so wie das Ganze in dieser Edition kommentarlos nebeneinander gestellt wurde, vermittelt das Ganze schon ein bißchen den Eindruck von Kraut und Rüben“. Was man eben noch bei Kinowelt im Keller hatte…. Da „passt“ Gregor Jordans „Gesetzlos“ über den ausstralischen Outlaw Ned Kelly aus dem Jahr 2003 ganz und gar nicht dazu!
Natürlich sind die „Western-Boxen“ von Kinowelt mit jeweils rund 15 Euro für drei Discs preiswert, die Einzel-DVDs mit 8 Euro ebenfalls. Für mehr technische und editorische Qualität würde man aber gerne, ein paar Dollar mehr aus geben…..
Filmfan
Haben die Italiener überhaupt mal einen sensationellen Film gemacht der auch einen Oskar bekommen hat? Ich meine damit keine Western, sondern wirklich allgemein.
herbertspaich
Aber ja! Da fällt mir spontan natürlich Federico Fellini ein – Oscars für „La Strada“ und „Amarcord“, Vittorio de Sica („Fahrraddiebe“, „Der Garten der Finzi Contini“) oder Bertolucci („Der letzte Kaiser“) ein. Und aus jüngster Zeit Roberto Benigni, der einen Oscar für „Das Leben ist schön“ bekommen hat.