Ebenso wie sich das „Festival des deutschen Films Ludwigshafen“ in den letzten Jahren aus bescheidenen Anfängen zu einem wichtigen Forum heimischer Filmproduktion entwickelt hat, ist der im Rahmen des Festival verliehene „Preis für Schauspielkunst“ inzwischen eine angesehene Auszeichnung. Gestern Abend wurde mit dem diesjährigen Preis der deutsch-Schweizer Schauspieler Bruno Ganz ausgezeichnet. Seit seinen Bühnenerfolgen als Ensemble-Mitglied der legendären „Schaubühne am Halleschen Ufer“ unter Peter Stein hat Bruno Ganz auch durch zahlreiche Filmrollen Furore gemacht. Zuletzt in der internationalen Bestseller-Verfilmung „Nachtzug nach Lissabon“.
Als Engel Damiel denkt Bruno Ganz in „Der Himmel über Berlin“ (1987) von Wim Wenders zusammen mit seinem, von Otto Sander gespielten, Kollegen über das Irdische und das Überirdische nach. Dabei gewinnt die Sehnsucht nach dem Menschlichen schließlich die Oberhand. Das Glück, das der Mensch gewordene Engel dabei findet ist ambivalent. Die Rolle des Damiel kommt der Persönlichkeit des Ausnahmeschauspielers Bruno Ganz wohl am nächsten. Das zeigte sich besonders eindrücklich bei der Preisverleihung in Ludwigshafen. Als höflicher Mensch hat Bruno Ganz den „Preis für Schauspielkunst“ ebenso abgeholt, wie die 26 Auszeichnungen davor, mit denen er seit 1973 ausgezeichnet wurde. Aber so ganz ist er nicht von dieser Welt.
Mit mildem, leicht gequältem Lächeln gibt Bruno Ganz auf dem Weg zum Preis dutzende Autogramme. Weil das eben zum Spiel gehöre, kommentiert er später die Pflichtübung. In seiner Laudation auf den Preisträger sagt Festival-Chef Michael Kötz:
„Bruno Ganz mag keine Interviews. Man weiß das. Aber ob man auf Seiten der Presse auch versteht, warum, da hab ich meine Zweifel. Immer soll das Persönliche eine Art von Auskunft geben über das Sichtbare eines Menschen, je persönlicher umso besser. Und so umfangreicher die Medienindustrie wird, desto brutaler ist sie in dieser Hinsicht, anmaßend, als habe man als öffentliche Figur jedes Recht auf ein eigenes Leben verwirkt. Das ist die eine Seite und wer berühmt ist, muss sie fürchten. Die andere Seite der Medaille allerdings dieser grausamen Zugriffe aufs Private ist menschlich, sehr menschlich…“
Nach der Preisverleihung spricht Bruno Ganz – immerhin: „Ich bin berührt!“ Eigentlich habe er außer zu danken nichts zu sagen. Seine Abneigung gegenüber derlei öffentlichen Veranstaltungen ist nicht zu überhören. Interviews gibt Bruno Ganz grundsätzlich, also auch diesmal nicht. Die Impertinenz, mit der ihn eine Journalistin aus der Reserve zu locken versucht, straft er mit Nichtachtung. Ganz wie Damiel aus dem „Himmel über Berlin“. Trotz allem scheint der „Preis für Schauspielkunst“ den unermüdlichen Schauspieler Bruno Ganz dann doch gefreut zu haben: Über die Danksagung hinaus ist er deshalb sogar bereit, einem Talk vor Publikum mit Michael Kötz und Josef Schnelle beizuwohnen:
Im 72. Lebensjahr hat der Mime noch reiten gelernt. Das erfahren bei dieser Gelegenheit die über 1000 Besucher der Bruno Ganz-Gala in Ludwigshafen: für seinen Part als fieser Fürst in der neuen deutsch-französischen „Michael Kohlhaas“-Verfilmung, die im Mai in Cannes uraufgeführt wurde: „Ich durfte als Kind nicht reiten lernen, weil das unseren Verhältnissen nicht entsprach. Das habe ich nun nachgeholt. Außerdem dachte ich mir, dass bei einer Kleist-Verfilmung auch ein deutscher Darsteller dabei sein müsste.“ Nachdem der Film wenig Begeisterung auslöste, ist es schön zu hören, dass für Bruno Ganz dabei wenigstens ein Kindheitstraum in Erfüllung ging.
A propos: nicht Ganz allein musste bei der missglückten Kleistverfilmung das deutsche Fähnlein hochhalten: David Kross und David Bennent waren ebenfalls in Minirollen mit dabei. Ob ihnen auch die Produktion einen Reitkurs spendiert hat, ist bisher nicht bekannt. Im September kommt „Michael Kohlhaas“ in die deutschen Kinos, dann werden wir vielleicht dazu mehr erfahren…
Zwei weitere Projekte mit Bruno Ganz sind in Arbeit. Also keine Zeit: vor dem Festival-Zelt am Ludwigshafener Luitpoldhafen wartet bereits die Limousine, um ihn auf den nächsten Flughafen zu fahren…