Werner Herzog dreht seit 1965 Filme und ist damit einer der gegenwärtig nach wie vor aktivsten deutschen Regisseure der Gegenwart. Allerdings arbeitet er in den letzten Jahrzehnten ausschließlich in den USA. Dabei ist er in allen Genres zu Hause. Er dreht Spielfilme ebenso wie Dokumentation. Zuletzt erregte er mit seiner TV-Serie „On Death Row“ für Aufsehen. Dafür interviewte Herzog Gefängnisinsassen, die teilweise über Jahre auf ihre Hinrichtung warten. Sein jüngster Film, der den er für die amerikanische Telefongesellschaft AT&T realisierte, verstörte Anfang dieser Woche die Nation: „From one second to the next“ erzählt un 30 Minuten drastisch von den Folgen des Simsens während des Autofahrens – was in den USA in letzter Zeit zum dramatischen Anstieg tödlicher Verkehrsunfälle führte. Gestern Abend wurde Werner Herzog in Locarno mit dem diesjährigen „Pardo d’onore“ für sein Lebenswerk ausgezeichnet.
„Indem Sie ihre eigenen Grenzen ausloten, versuchen Sie die Grenzen dessen zu überwinden, was als filmbar gilt“. Das sagte der künstlerische Direktor der Filmfestspiele von Locarno, Carlo Chatrian, in der Begründung der Verleihung des Preises an Werner Herzog.
Diese Auszeichnung bekommt durch Herzogs neuen Film zusätzliche Bedeutung, der Anfang der Woche in den USA urauf-geführt wurde und zwar auf Youtube. In den letzten Tagen ist „From one second to the next“ bereits über eine Million Mal aufgerufen worden: 30 Minuten lang, eine Auftragsproduktion des amerikanischen Telefongiganten „AT&T“. Ein typischer Moment in diesem ungewöhnlichen, für Werner Herzog aber nicht überraschenden Film:
Von einer Sekunde zur nächsten wurde die Hoffnung einer Mutter auf eine große Zukunft ihres Sohnes zunichte gemacht. Jetzt sitzt er schwerstbehindert im Rollstuhl. Opfer eines Verkehrsunfalls: der Unglücksfahrer war abgelenkt, weil eine SMS geschrieben hat. Herzog lässt nicht nur die Opfer zu Wort kommen, sondern auch die Verursacher.
Eine der Stärken des Dokumentarfilmers Herzog ist seine einfühlsame, gleichzeitig aber beharrliche Fragestellung. In Locarno hat er dieser Tage die zweite Staffel seiner Interview-Serie „On Death row“ als Uraufführung präsentiert, die er mit zum Tode verurteilten Häftlingen in amerikanischen Gefängnissen geführt hat.
Der Welt ist nicht zu trauen! Noch nie bei Werner Herzog. Erst recht nicht in seinem Spätwerk, das er in den letzten Jahren ausschließlich in den USA realisiert hat. Neben Dokumentationen wie „ On Death Row“ und „Höhle der vergessenen Träume“ sind das Spielfilme wie „Bad Lieutanent“, „My Son, my son, what have ye done“ oder „The wild blue yonder“. Sie sind in Deutschland kaum im Kino bzw. gleich auf DVD erschienen. In den USA ist Werner Herzog ein gefeierter Regisseur, der deshalb wenig Neigung zur Rückkehr nach Deutschland hat. Er schätze die USA als Ort „an dem die Neugier absolut lebbar ist“!
Dazu gehört der Blick hinter die Kulissen in das Herz der Finsternis der USA; einem Land, in dem sich auf besonders exemplarische Art und Weise „From one second to the next“ Abgründe auftun können. Insofern hat der Titel von Herzogs neuem Internet-Filme für ihn und sein Werk programmatische Bedeutung…