Deutschland 2009
Regie: Pia Marais
Mit Jeanne Balibar, Stefan Stern, Georg Friedrich, Julia Hummer, Alexander Scheer
Kinostart: 20. Januar 2011
Entfremdung in kalten Stadtlandschaften, freudlose Existenzen, die in Sprachlosigkeit verharren oder bestenfalls in kargen Dialogen ihren Ausdruck finden: das sind die Stilmittel, mit denen die Regisseure der sogenannten „Berliner Schule“ ihre Filme drehen, die vor allem in Frankreich als „Nouvelle vague allmand“ geschätzt werden. Dazu gehört auch Pia Marais. Sie ist 2007 mit ihrem mehrfach ausgezeichneten Debut „Die Unerzogenen“ bekannt geworden. Ihr zweiter Film „Im Alter von Ellen“ hatte 2009 auf dem Filmfestival Locarno Premiere. Jetzt läuft er in den deutschen Kinos an.
Ellen (Jeanne Balibar) ist Anfang 40, gutaussehend und von Beruf Stewardess. Äußerlich eine blendende Erscheinung, aber in ihrem Privatleben geht es weniger glücklich zu. Lebenspartner Florian (Georg Friedrich) zickt im Bett, wenn sie nach langer Abwesenheit kuscheln möchte.
Bei Gelegenheit teilt ihr Florian mit, dass eine Andere von ihm ein Kind bekommt. Ellen nimmt es anscheinend gelassen hin. Doch dann geschieht es: Beim Abflug auf einem afrikanischen Airport verzögert sich der Start der Maschine, weil sich ein Gepard auf die Landebahn verirrt hat.
Ellen wird Zeuge, wie das Tier mit einem Narkose-Gewehr außer Gefecht gesetzt und dann in einem Käfig abtransportiert wird. Diese Erfahrung verstört Ellen nachhaltig. Mitten in der Ansage zur Flugsicherung verlässt sie die startklare Maschine. Getrieben von einer plötzlichen Panik-Attacke: ihr wird daraufhin fristlos gekündigt. Ellen verliert durch einen dummen Zufall auch noch ihr Gepäck und findet ebenso zufällig Aufnahme bei einer Gruppe militanter Tierschützer.
Als einer der Aktivisten (Stefan Stern) Ellen fragt, ob sie ihn heiraten würde, damit er nicht zur Bundeswehr muss, stimmt sie spontan zu. Was als Scheinhochzeit geplant war, gewinnt schon bald emotionale Tiefe – zumindest für den jungen Mann. Er sucht körperliche Nähe bei Ellen in der Badewanne. Daraus wird aber nichts…
In ihrem zweiten Spielfilm „Im Alter von Ellen“ beschreibt Pia Marais eine Frau, die von einem Moment zu nächsten ihre Bodenhaftung verliert und sich im realen wie im übertragenen Sinn in einem Niemandsland wieder findet.
Die meiste Zeit trägt Ellen ihre akkurate Stewardessen-Uniform wie eine Art Schutzausrüstung in einer fremden Welt. Im nüchternen Stil der „Berliner Schule“ schickte Pia Marais eine Heimatlose durch eine disparate Welt. Ihre Ellen könnte aus dem literarischen Kosmos von Ingeborg Bachmann oder Elfriede Jellineck stammen: Die Entfremdung vom eigenen Ich, die betonte Künstlichkeit der Dialoge und eine an Symbolen reichen Handlung. Zum Beispiel Ellens bizarrer Kontakt zu einer anachronistisch anmutenden Tierschützer-Kommune. Schließlich immer wieder neue Fluchtpunkte, zu denen sich Marais traurige Heldin aufmacht. Wer eine bestimmte Spielart moderne deutsche Frauenliteratur und spröde filmische Exkurse über Fremdheit im Allgemeinen und Besonderen schätzt, wird von „Im Alter von Ellen“ nicht enttäuscht werden….