…sagt Tini in „3 Kreuze für einen Besteller“ von Klaus Lemke
Nur ältere Semester werden sich heute noch an Klaus Lemke erinnern, in den 1970er der Wildeste in der Münchner Abteilung des „Jungen deutschen Films“: ein obercooler deutscher Gangsterfilm, „48 Stunden bis Accapulco,“ hat ihn bekannt gemacht. Nach ein paar weiteren Filmen, von denen einer „Rocker“ hies, verschwand der Rocker Lemke von der Bildfläche – zumindest außerhalb von München. In letzter Zeit ist der drahtige Filmemacher wieder aufgetaucht. Diesmal in Hof mit „3 Kreuze für einen Bestseller“.
Eine ziemliche schräge Dreicksgeschichte, die in einer der häßlichsten Ecken von Fuerteventura angesiedelt ist. Völlig losgelöst von den Ge-setzmäßigkeiten der Filmdramaturgie, kalauert (siehe „Bikini“) sich das Stück anfangs munter, dann zunehmend lustloser über die Runden. Ein Beispiel aus der Abteilung „Kuriosa“, die zum Charme der Hofer Filmtage gehören.
Die große Kunst der schwarzen Satire führte dagegen auf hohem Niveau des Wiener Humors Peter Payer mit „Am Ende des Tages“: ein Nachwuchspolitiker möchte mit seiner schönen reichen Gattin vor den Anstrengungen des Wahlkampfs ein Wochenende in den Bergen verbringen. Doch daraus wird nichts. Ein Jugendfreund, der zuviel weiß, macht einen Strich durch die Rechnung.
Das Ganze als Roadmovie von Wien nach Tirol. Fantastisch besetzt mit Simon Schwarz, Nicholas Ofczarek und Anna Unterberger. Allein wie es Schwarz gelingt in einer Einstellung mehrfach sein Gesicht entgleisen zu lassen ist ein Höhepunkt der Schauspielkunst!
Gute Schauspieler – Fritz Karl, Karl Markovics, Wotan Wilke Möhring u. A. – standen auch Erwin Wagenhofer für sein Spielfilm-Debut „Black Brown White“ zur Verfügung. Der Österreicher hat sich mit engagierten Dokumentarfilmen wie „Feet the World“ und „Let’s make Money“ einen Namen gemacht.
Diese Vergangenheit merkt man dem Spielfilm nicht nur an, er nimmt direkten Bezug zu den Dokumentationen, in dem er sie ausgiebigst zitiert.
Die Zitate sind ein Roadmovie eingebunden – gewissermaßen als ökologischer roter Faden. Ein Trucker transportiert russischen Knoblauch von Wien nach Tanger, wo das Gewürz in spanische Ware umgewidmet und zusammen mit Tomaten aus Südspanien zurück nach Mitteleuropa transportiert wird.
Nebenbei sind auch noch afrikanische Elendsflüchtlingen in einem Versteck auf dem Hänger mit an Bord.
Dabei zeigt sich Wagenhofers große Erfahrung mit heiklen Themen. Es gelang ihm, seine Konsumkritik und die generelle Frage der Menschenrechte in einer klaren Geschichte unterzubringen. Psychologisch glaubwürdig zeigt er, wie ein Mann, der eigentilch nur seinen Job möglichst störungsfrei erledigen möchte, angesichts einer konkreten Notlage in die Pflicht genommen wird und bereit ist, diese Verpflichtung zu erfüllen.
Das Schicksal afrikanischer Boatpeoples liegt Maggie Peren in ihrem neuen Film „Die Farbe des Ozeans“ am Herzen. Im Gegensatz zu Erwin Wagenhofer hält sie sich mit dem Moralisch-pädagogischen zurück: Sie zeigt das Dilemma des Helfens am Beispiel einer Touristin auf Gran Canaria, die sich Flüchtlingen anzunehmen versucht und dabei scheitert.
Dabei gelingt es auch Peren, eine klare politische Haltung zu wahren: Hilfe muß sein! Die Frage ist nur wie. Ein kluger Film, der sich mit Gebrausanweisungen zurück hält!
Mehrere neue Dokumentarfilme zu schwierigen gesellschafts-politschen Fragen hatten diesmal in Hof Premiere. Was tun mit Kindern, die im hiesigen Regelschulsystem scheitern? „Hundsbuam – Die letzte Chance“ von Alexander Riedel zeigt einen Lösungsansatz.
Dokumentiert wird eine Förderklasse für Problemfälle. Ohne die Kinder vorzuführen zeigt Riedel mit Fingerspitzengefühl, das Hilfen immer möglich sind – aber auch die Grenzen, die Defizite der Kinder aus-zugleichen. Sie haben in der Regel im Versagen der Eltern ihre Ursache.
Unverzichtbar im jährlichen Hofer Filmangebot: Aktuelles aus den Fernsehspielredaktionen der Sender. Hier dominierte das Solide für das Hauptabendprogramm. Etwas später am Abend wird wohl die von der „Debut im Dritten“ betreute SWR-Produktion „Unter Nachbarn“ ausgestrahlt werden. Sie hätte aber durchaus Potential fürs Erste. Bei dieser mit Maxim Mehmet und Charly Hübner ansprechend besetzten Geschichte einer tödlichen Abhängigkeit hätte man sich allerdings mehr Mut zur unkonventionellen Inszenierung gewünscht.
Den bewies Dominik Graf heute Abend mit seinem fulminanten Polizei-Thriller „Das unsichtbare Mädchen“. Auf einem authentischen Fall beruhend, geht es um die unheilvolle Verquickung von Prostitution, Polizei-und politischer Gewalt im deutsch-tschechischen Grezgebiet. Gedreht wurde der Film in und um Hof diesen Sommer. Eine Koproduktion mit dem ZDF. Sicher einer der Höhepunkte in der TV-Landschaft der nächsten Zeit.
Hier brilliert Ulrich Noethen als korrupter Polizist. Eine Rolle, die man ihm ebensowenig zugetraut hätte wie des monomanischen Regisseurs in „Die Unsichtbare“. „Das unsichtbare Mädchen“ soll im Laufe des nächsten Jahres ausgestrahlt werden. Die SZ widmete dem Film bereits heute eine ganze Seite unter der Überschrift „Der ultimative Heimatfilm“.
Antonyn
“Unter Nachbarn” für das Fernseh-Hauptabendprogramm? Der Film wurde doch von der Redaktion “Debüt im Dritten” betreut, die ihre Filme gewöhnlich erst kurz vor Mitternacht zeigen darf?
herbertspaich
Sie haben natürlich recht. Aber wo fängt heutzutage das „Hauptabendprogramm“ an und wo hört es auf. Um keine weitern Mißverständnisse aufkommen zu lassen. habe ich die entsprechende Passage geändert. Jedenfalls Dank für den Hinweis!
Ihr
Herbert Spaich
Antonyn
Inzwischen habe ich „Unter Nachbarn“ auf einem anderen Festival in Anwesenheit von Regisseur und Produzent gesehen, die anschließend dem Publikum Fragen beantworteten. Nach ihren Aussagen hat die SWR-Redaktion den Film zwar zur Hälfte mitfinanziert, aber keinen inhaltlichen Einfluss darauf genommen. Die Einleitung „aus den Fernsehspielredaktionen der Sender“ erscheint daher etwas unglücklich. Zudem kamen aus dieser Debütreihe in den letzten Jahren einige Filme, die auch im Kino erfolgreich waren (z. B. „Emmas Glück“, „Novemberkind“), und auch für „Unter Nachbarn“ wird eine Kinoauswertung zumindest angestrebt. In dieser Hinsicht ist die Einschätzung „auch fürs Erste geeignet“ etwas ernüchternd.