Die 60. Berlinale geht in die Endrunde. Allgemeine Schläfrigkeit. Doch da läuteten die Glocken gestern Nachmittag Sturm. Ein Skandal liegt in der Luft. Der Medienwissenschaftler Friedrich Knilli bezichtigt in einem Agentur-Interview den Berliner Regisseur Oskar Röhler der Geschichtsklitterung. Anlass ist Roehlers „Jud Süss – Film ohne Gewissen“, der heute Abend Premiere haben soll.
Wie in den Ankündigungen erklärt wird, basiert der dokumentarische Spielfilm auf Knillis 2000 im Henschel-Verlag erschienenes Buch „Ich war Jud Süss. Die Geschichte des Film-stars Ferdinand Marian“. Marian war unter dem NS-Regime ein Chargen-Darsteller aus der zweiten Reihe mit zweifelhaftem Lebenswandel. Für Goebbels wie geschaffen für die Titelrolle des antisemitischen Hetzfilms „Jud Süss“. In Knillis Buch und jetzt auch bei Roeher – gespielt von Tobias Moretti – geht es um das Psychogramm eines labilen Menschen, der unter die Wölfe gefallen ist. Alles andere als sympathisch. Allerdings ist die Quellenlage in Sachen Marian äußerst dürftig. So läßt auch Knillis Buch manche Fragen offen und kommt zu spekulativen Schlüssen. Was zur Kritik Anlass gab.
Jetzt preschte der Wissenschaftler – im Besitz einer Sichtungs-DVD des Roehler-Werkes – vor und wirft dem Regisseur vor, den Schmierendarsteller Marian heroisiert und ihm auch noch eine jüdische Frau angedichtet zu haben. Mag ja sein, dass der bisweilen eigenwillige Filmemacher hier der Ge-schichte etwas nachgeholfen hat, aber die feine Art war das von Prof. Knilli auch nicht. Da könnte man auf den Gedanken kommen, hier will sich einer ins Licht der Berlinale drängeln, den bisher nur an sperriger Mediavistik Interessierte kannten. Knillis Marian-Buch ist übrigens inzwischen vergriffen. Egal was wir heute auf der Leinwand des „Berlinale Palastes“ erleben werden, die von Friedrich Knilli losgetretene Ans-Bein-pinkel-Affäre passt zur Figur Ferdinand Marian, dem widerwärtigen Film „Jud Süss“ und seinem Regisseur Veit Harlan. Alles „Pfui Teufel!“
Gregor Samsa
Mit Verlaub Herr Speicher! Ein an sperriger Mediävistik (diesen Begriff mit -ä- meinten Sie doch sicher) Interesssierter wird Friedrich Knilli auch nicht kennen, denn Knilli hatte zwar eine Professur an der TU Berlin inne, nicht jedoch für Geschichte des europäischen Mittelalters (Mediävistik), sondern für Medienwissenschaft. Und noch eins. Wer einen Kino-Blog betreiben will, sollte nicht nur bunte Bilder mögen und zwei zusammenhängende Sätze schreiben können, sondern wäre gut beraten, das eine oder andere Standardwerk der Film- und Medienwissenschaft – und damit auch Friedrich Knilli zu kennen.