Einer der ersten prominenten deutschen Künstler, die nach dem Machtantritt der Nationalsozialisten 1933 das Deutsche Reich freiwillig verließen, war Fritz Lang. Damals der bekannteste und wichtigste Filmregisseur des Landes. Nach seinen Stummfilm-Erfolgen „Dr. Mabuse“, „Spione“, dem Ereignis „Metropolis“ hatte Langs erster Tonfilm „M“ bewiesen, das er auch mit den neuen technischen Möglichkeiten umzugehen verstand. Seit jüngster Film „Das Testament des Dr. Mabuse“ war eben von den Nazis verboten worden. Wie kaum ein anderer Emigrant konnte Fritz Lang seine Karriere erst in Frankreich, dann in den USA fortsetzen. Im Gegensatz zu seinen Stumm-und frühen Tonfilmen, sind seine amerikanischen Produktionen hierzulande nach wie vor wenig bekannt. Drei DVD-Editionen aus jüngster Zeit schließen eine Lücke.
Einen seiner interessantesten und wenig bekannten amerikanischen Filme drehte Fritz Lang 1938 mit „You and Me“. Nach „Fury“ und „You only live once“ der dritte Teil seiner „sozialen Trilogie“. Der Film war bisher in Deutschland nur ganz selten zu sehen. In seiner Reihe „Film noir“ hat Koch Media „You and Me“ in diesem Monat in der untertitelten Originalfassung als DVD-Premiere veröffentlicht.
Mr. Morris ist ein Unternehmer mit honorigen moralischen Grundsätzen und großes sozialem Engagement. Deshalb stellt er vorzugsweise ehemalige Häftlinge ein, um seinen Beitrag zu ihrer Resozialisierung zu leisten. Seine Gattin findet das höchst bedenklich.
Joe (George Raft) , Top-Verkäufer in der Sportabteilung und früher ein harter Junge in der Unterwelt hat ist ein Musterbeispiel geglückter Resozialisierung. In der Mittagspause und auf dem Nachhauseweg freundet sich Joe mit Helen (Sylvia Sidney) aus der Abteilung für Damenunterbekleidung an.
Nachdem Joe seine Auflagen der Bewährungshilfe gewissenhaft erfüllt hat, ist er jetzt wieder ein ganz und gar freier Mann. In den 1930er Jahren war in den USA Straffälligen in der ersten Zeit nach der Haftentlassung die Heirat untersagt: Spontan macht Joe jetzt Helen einen Heiratsantrag.
Helen möchte allerdings, dass ihre Ehe vorerst geheim bleibt. Das macht Joe stutzig. Es dauert nicht lange und er kommt hinter den Grund. Auch seine charmante Gattin hatte eine kriminelle Vergangenheit und – im Gegensatz zu Joe – ihre Bewährungsauflagen noch nicht erfüllt.
Es kommt zur Ehekrise und Joe droht frustriert rückfällig zu werden. Nur mit knapper Not geht dann doch noch einmal alles gut. Fritz Lang selbst betrachtete seinen Film „You ander Me“ rückblickend höchst skeptisch. Er sprach von einer „Verkettung unglücklicher Umstände“ bei der Realisierung. Der Film fand nach seiner Uraufführung weder bei der Kritik noch beim Publikum Anklang. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg, und da vor allem Frankreich, wurde der kühne experimentelle Charakter von „You and me“ gewürdigt – als Lehrstück im Sinne Bert Brechts.
Zu den Kalamitäten bei der Realisierung gehörte, das sich Fritz Lang mit Kurt Weil überwarf, der die Musik zu „You and Me“ komponieren sollte. Nur der Titelsong ist vom ursprünglichen Score übrig geblieben.
Grundsätzlich sollte aus dem Film ein gesellschaftskritisches Musical werden – wohl im Stil der „Dreigroschenoper“. Daraus wurde nichts. Immerhin ist die geistige Nähe zu Brecht nicht zu übersehen Frei nach seinem Motto: „Der Mensch ist gar nicht gut, drum hau‘ ihm auf den Hut. Hast du ihn auf den Hut gehaun, dann wird er vielleicht gut“: ein bisschen wird es in „You and me“ schon gut, aber verlassen kann man sich darauf nicht. Wie in allen Filmen Langs ist den Verhältnissen nicht zu trauen. Die Schatten der Zeit lassen sich nicht vertreiben.
Nach dem Misserfolg von „You and me“ wechselte Fritz Lang nicht nur das Produktionsstudio, sondern radikal auch das Genre. Nach dem Kammerspiel im Stil des deutschen Stummfilms, jetzt ein Western. Langs erster Farbfilm: „The Return of Frank James“ kam 1940 in die Kinos und war die Fortsetzung von „Jesse James“, den Henry King gedreht hatte: Jesse James ist von den Ford-Brüdern feige von hinten erschossen worden.
Als die Täter nicht zur Rechenschaft gezogen werden, greift Frank James (Henry Fonda) ein, der im Untergrund lebt, weil er als ehemaliger Ganove ebenfalls auf einer Fahndungsliste steht. Inkognito lanciert er über eine junge Zeitungsreporterin seinen angeblichen Tod in die Öffentlichkeit. Doch ein korrupter Bahnangestellter enttarnt Frank James und bringt ihn vor Gericht….
Auch in „The Return of Frank James“ ist Fritz Lang seinem Thema treu geblieben – hier eben mit den Versatzstücken des Westerns: eine indifferente Gesellschaft sucht sich ihre Sündenbücke. Dem Mopp, der Masse Mensch ist nicht zu trauen. Der Faschismus nicht nur eine deutsche Angelegenheit.
Die Zivilcourage Einzelner kann das Schlimmste verhindern. So wird in „The Return of Frank James“ am Ende weder Frank noch sein farbiger Cowboy Pinkie gelyncht, sondern kommen auf freien Fuß.
Der Film ist ebenfalls von Koch Media in einer ordentlichen Edition veröffentlicht worden. Wie bei „You and Me“ bestehen des Extras in erster Linie in einem sachkundig geschriebenen Booklet. Allerdings muss man bei „The return of Frank James“ beim englischen Original ohne Untertitel auskommen.
Fritz Lang war nicht nur einer der wenigen deutschen Emigranten in den USA, die ihre Karriere in der Fremde nahtlos fortführen konnten. Als einer der Gründer der „Anti-Nazi-league“ setzte er sich auch aktiv für seine Landsleute ein, die von den Schergen des NS-Regimes aus Deutschland vertrieben wurden. Über die verbrecherische Dimension des „Dritten Reichs“ machte er sich keine Illusionen.
Während des Zweiten Weltkriegs thematisierte er den tödlichen Ungeist in mehreren Filmen, ohne dass daraus platte Propaganda geworden wäre. Zum letzten Mal 1944 in „Ministry of Fear“, der bei Universumfilm auf DVD erschienen ist.
Stephan Neale (Ray Milland) ist ein verstörter Mann, eine sogenannte Borderline-Persönlichkeit. Weil er seiner schwer kranken Frau Sterbehilfe ge-leistet hat, wurde er in die Psychiatrie eingewiesen. Nach seiner Entlassung versucht ein deutscher Spionagering Neale zu instrumentieren:
Ähnlich wie Joe in „You and Me“ und Frank James in Fritz Langs erstem Western, kommt auch Stephen Neals am Ende gerade noch einmal davon. Sie hatten individuelles Glück. Für den Zustand der Gesellschaft im Allgemeinen, will das nichts heißen.
Drei Meisterwerke von Fritz Lang sind unter den deutschen Titel: „Du und ich“, „Rache für Jesse James“ und „Ministerium der Angst“ bei Koch Media bzw. Universum auf DVD erschienen. Sie kosten jeweils rund 15 Euro.