Während der Sommer die Münchner Innenstadt in ein mildes, versöhnliches Licht tauchte, herrschte im Cinemaxx am Isartor, in den „Museumslichtspielen“ oder im „Rio“ am Rosenheimer Platz auf der Leinwand Angst und Schrecken, die Film gewordene Krise.
Mit durchaus angemessenen grimmigem Gesicht durchquerte der Stargast und diesjährige CineMerit-Gewinner Mads Mikkelsen (u. a. „Le Chiffre“ in „Casino Royal“) die Lobby im „Bayerischen Hof“.
Das geballte Elend dieser Welt konnte man bei der Retrospektive mit dem Oevre des Österreichers Ulrich Seidl erleben. Er arbeitet gerade an einen Film mit dem Arbeitstitel „Im Keller“. Da geht es um verzagte Männer, die sich aus dem Familienverbund verabschiedet haben, um im Souterrain Gewichte zu stemmen, zu drechseln oder den Frust im Alkohol zu ertränken.
Mit „Welt im Aufruhr“ hatte Festivalchef Andreas Ströhl das „Internationale Programm“ des diesjährigen Filmfestes München programmatisch betitelt. Zwischen beklemmenden drei Stunden unkommentiert kompilierten Dokumentaraufnahmen zu einer „Autobiographie des Nicole Ceausescu“ (von Andrei Ujica) über eine bestürzende Nahaufnahme zur Israelischen Offensive auf den Gaza-Streifen im vergangenen Jahr („Cast Lead“, Regie: Stefano Savona) bis zur Dokumentation über den russisch-georgischen Krieg („Russian Lessons“/Olga Konskaya & Andrei Nekrassov) reichte das Angebot.
Dazwischen neue Spielfilme von Werner Herzog („My son, my son, what have ye done“), Francis Ford Coppola („Tetro“) oder Jaco Van Dormael („Mr. Nobody“).
Das „Filmfest München“ machte deutlich, das wir es gegenwärtig mit einem bei aller Depression aufregend politischen Weltkino zu tun haben – selbst wenn das bei manchen Produktionen erst auf den zweiten Blick deutlich wird.
Mit „Die Vergangenheit ist noch nicht vorbei“ brachte es Bertrand Tavernier im Gespräch nach der deutschen Premiere von „Die Prinzessin von Montpensier“ auf den Punkt, der im 16. Jahrhundert spielt und vom verhängnisvollen Ränkespielen der Mächtigen handelt.
Dabei bildete das schicke Ambiente im Dachgarten-Restaurant des „Bayerischen Hofs“ – in dem Tavernier seine Interviews gab – einen seltsamen Kontrast. Auch die vielen Partys und Empfänge, die beim Filmfest so wichtig sind wie die Filme, vermittelten den Eindruck von therapeutischen Maßnahmen angesichts des Weinens in der Welt und im Kino.
Das Innen und Außen, Fiktion und Wirklichkeit, die Janusköpfigkeit der Filmbranche, wird nirgends deutlicher als beim Filmfest München. Von tiefer Symbolik: die Bahnsteige der gruftigen S-Bahn-Stationen sind während des Filmfestes mit quietschgelben Bannern gepflastert, die zum Kino-Besuch einladen und über die achtlos zur nächsten Tram geeilt wird. Freilich in den Filmtheatern herrschte dieselbe drangwolle Enge wie bei den meisten Partys. Also hat die Reklame doch geholfen…