Das Kreuz der Deutschen mit den Produkten ihrer Filmgeschichte
Eine Experten-Gruppe um den Medienwissenschaftler und Publizisten Klaus Kreimeier („Die Ufa-Story“) alarmierten 2013 die Öffentlichkeit mit einer Petition an den Bundestag: „Unser Filmerbe ist in Gefahr“. Darin heißt es: „Wenn die Politik den fortschreitenden chemischen Zerfall unseres Filmbestandes weiter ignoriert, müssen wir in den kommenden Jahren mit dem Verlust der meisten Filme aus dem letzten Jahrhundert rechnen!“
Die Betroffenheit ist allenthalben groß. Die Staatsministerin für Kultur und Medien, Monika Grütters, sagt finanzielle Unterstützung zu. Mehr als eine Million Euro pro Jahr kann sie aber nicht locker machen. Ein Tropfen Wasser auf einen heißen Stein!
Es gilt 170 000 Lang-und Kurzfilme vor dem Verfall zu retten. Zu diesem Ergebnis kommt „PricewaterhouseCoopers“ in ihrer Studie „Ermittlung des Finanzbedarfs zum Erhalt des Filmen Erbes“, die von der deutschen „Filmförderanstalt (FFA)“ im vergangenen Jahr in Auftrag gegeben wurde. Knapp 500 Millionen Euro wären zur Rettung des “Deutschen Filmerbes“ notwendig, die natürlich niemand so einfach auf der Hand hat.
Deshalb brachte auch ein hochkarätig besetztes Symposion „Vergangenheit braucht Zukunft“ keine neue Perspektiven, zu dem der „Deutsche Kulturrat“ Anfang Juli dieses Jahres nach Berlin ein-geladen hatte. Da sowohl Vertreter der Bundesregierung als auch des Kulturstaatsministeriums durch Abwesenheit glänzten, blieb man unter sich mit dem Elend des „Deutschen Filmerbes“: „Murnau-Stiftung“, „Bundesarchiv“, „Deutsche Kinemathek“, „Filmmuseum Frankfurt/M“…usw.
Das Elend fängt damit an, dass 1945 nicht nur das üppige „reichseigene Filmvermögen“, sondern auch die Filme selbst von den Alliierten beschlagnahmt wurden, d. h. in einer Nacht-und-Nebel-Aktion sind die entsprechenden Unterlagen aus einem Tresor der Deutschen Bank aus dem sowjetisch besetzten Teil Berlins in den Zuständigkeitsbereich der westlichen Alliierten geschafft worden.
1953 übergaben sie Geld und Filmstock in westdeutsche Obhut. Er besteht aus Stumm-und Tonfilmen.
Die westdeutsche Kinobranche der 1950er Jahre hat besonderes Interesse an den 1200 Produktionen, die während des „Dritten Reichs“ gedreht wurden. Als Reprisen finden sie ein dankbares Publikum, das sich an den angeblich politisch unbelasteten Filmen mit Marika Rökk, Hans Albers oder Zarah Leander erfreute. Allerdings hat eine Alliierte Kontrollkommission 400 Filme aussortiert und verboten. Dabei handelt es sich um bösartig rassistisches wie „Jud Süss“, „Der ewige Jude“ oder „Heimkehr“, aber auch um Filme, in denen Hackenkreuze, Wehrmachts-oder SS/SA-Uniformen ins Bild gerückt wurden.
Jetzt in bundesdeutschem Besitz, sind die „Problemfilme“ noch einmal begutachtet worden. Vor dem Hintergrund der im Grundgesetz postulierten „Freiheit der Kunst“, werden die fraglichen Stellen mit der Schere bereinigt. Ist eine „kosmetische“ Entnazifizierung nicht möglich, werden die Filme „unter Vorbehalt“ gestellt, d. h. sie sind für einen allgemeinen Kinoeinsatz gesperrt und nur für geschlossene Veranstaltungen mit Einführung bzw. anschließender Aussprache zu gelassen.
Aber es gibt auch Ausnahmen: der mächtige Gloria-Filmverleih präsentiert 1954 den zweiten deutschen NS-Farbfilm „Die Goldene Stadt“ aus dem Jahr 1942 von Veit Harlan als Wiederaufführung. Obwohl um 20 Minuten gekürzt, ändert das nichts an der denunzierenden antitschechischen Tendenz des Films. Die geschnittenen Szenen wanderten in den Orkus… Ob e von „Die Goldene Stadt“ noch eine integrale Kopie – im Bundesarchiv – gibt, ist unklar….
Bei der Wiederbelebung der Ufa 1956 verkauft der Bund das ungeliebte Erbe kurzerhand an die neue Firma. Die steuert zwar steuerbegünstigt, aber glücklos 1962 in die Pleite. Die Konkursmasse – zu der die historischen Filme ebenso gehören wie die wenigen Ufa-Neuproduktionen – wird vom Bertelsmann Verlag erworben, der mit einem Lesering zu Geld und Ansehen gekommen ist.
Als Bertelsmann 1965 bekannt gibt, dass man die Absicht hat, den gesamten – 3000 Filme umfassenden – deutschen Filmstock an den amerikanischen Medienkonzern „7arts“ zu verkaufen, zieht die Bundesregierung mit Unterstützung der „Spitzenorganisation der Filmwirtschaft (SPIO)“ die Notbremse.
Nach einigem Hin und Her – nach dem Motto: wer zahlt – wird eine typisch deutsche „Stiftung des bürgerlichen Rechts“ gegründet und nach dem Stummfilmpionier Friedrich Wilhelm Murnau benannt.
Die „Murnau-Stiftung“ bekommt die finanziellen Mittel zum Erwerb des „Filmerbes“ nur als Darlehen, das zurück zu zahlen ist. Darüber wacht ein Kuratorium. Auch ansonsten hat sich die „Murnau-Stiftung“ selbst zu finanzieren. Das funktioniert so lange das Fernsehen insbesondere die Ufa-Tonfilme zur Ausstrahlung erwirbt und dafür bezahlt.
Doch damit hat es sich, nachdem selbst zu ungünstigen Sendezeiten – vormittags oder nach Mitternacht – dafür kein Bedarf bei einem quotenrelevanten Publikum mehr besteht. Schwarzweiß-oder gar Stummfilme will ebenfalls niemand mehr sehen. Am ehesten noch Open Air mit Live-Musik oder die „Feuerzangenbowle“ mit Glühwein. Die Kassen der „Murnau-Stiftung“ sind folglich leer.
Außerdem hat sie in den letzten Jahren landauf, landab Konkurrenz bekommen. Allen voran die Filmabteilung des „Bundesarchivs“, die „Deutsche Kinemathek/Filmmuseum Berlin“, das „Filmmuseum Frankfurt/M (vormals „Deutsches Institut für Filmkunde“), die Filmmuseen in Potsdam, München und Düsseldorf. Alle hängen mehr oder weniger am „Tropf“ der öffentlichen Hand, insbesondere des Kulturstaatsministeriums und arbeiten nicht selten gegen, statt miteinander.
Das zeigt sich z. B. an der völlig heterogenen Veröffentlichungspraxis der „Schätze“ der einzelnen Institutionen auf DVD. In dieser Beziehung hat die „Murnau-Stiftung“ am meisten vorzuweisen. Allerdings überwiegt in den Vergangenheit häufig die Quantität, die Qualität. Ob damit groß Kasse gemacht werden konnte, darf bezweifelt werden.
In der DVD-Reihe „Deutsche Filmklassiker“ geht es quer durch den „Gemüsegarten“ der Jahre zwischen 1930 bis 1960. Da steht „SOS –Eisberg“ (1932) neben „Freddy und die Melodie der Nacht“(1960). Bonusteil: Fehlanzeige. Selbst der diskreteste Hinweis zu filmgeschichtlichen Einordnung fehlt.
Besonders pikant ist die Veröffentlichung von „Vorbehaltsfilmen“ mit ihrer lupenreinen Nazi-Propaganda in der Reihe. So das Zarah Leander-Durchhalte-Melo „Die große Liebe“(1941/42) („Ich weiß, es wird einmal ein Wunder geschehen“). Kein Wort zur Bedeutung des Films, seiner propagandistischen Absicht. Dafür prangt auf dem Cover dick und rot: „Freigegeben ab 18 Jahren“.
In ähnlicher Unverbindlichkeit ist mit „Wunschkonzert“(1940) ein weiterer Film, der vor allem die Partei-Genossinnen in Kriegszeiten bei Laune („Das kann doch einen Seemann nicht erschüttern!“) halten sollte, auf DVD zu haben.
Dabei handelt es sich um den untauglichen Versuch der Murnau-Stiftung über die „Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK)“, der Vermarktung von Produktionen aus dem „Giftschrank“ der „Vorbehaltsfilme“ beizukommen. Eigentlich die falsche Adresse, wie die gegenwärtige Geschäftsführerin der FSK, Christiane von Wahlert, auf Anfrage betont. Die FSK kann nur Empfehlungen im Sinne des Jugendschutzes geben. In diesem Sinne haben sich die Juroren gerade im Fall „Wunschkonzert“ bei ihrer Bewertung 2006 große Mühe gegeben. Uninformierte Jugendliche könnten durch die raffinierte Machart des Films im faschistischen Sinne indoktriniert werden, heißt es da. Deshalb mache der Schnitt einzelner Szenen keinen Sinn, da sie die „Botschaft“ des Films – der Mann wird erst als Soldat zum Mann – dadurch nicht eingeschränkt würde.
Nachdem die „Murnau-Stiftung“ seit einiger Zeit mit Ernst Szebedits einen Geschäftsführer mit reichlich Branchen-Erfahrung hat, wurde die Art des Umgangs mit „Vorbehaltsfilmen“ inzwischen verzichtet. In den letzten Jahren hat die „Murnau-Stiftung“ mit vorbildlichen Restaurierungen aus dem Schatzkästlein der deutschen Filmgeschichte Furore gemacht. Ein originalgetreu viragiertes „Cabinet des Dr. Caligari“, „Varieté“ und Fritz Langs „Der müde Tod“ können sich auch auf DVD und Blu-rey sehen lassen. Bei den kostspieligen Unternehmungen standen ein privater Kreis der „Freunde und Förderer des deutschen Filmerbes e.V.“ und die „Bertelmanns-Stiftung“ Pate.
An diesen Beispielen zeigt sich eindeutig, dass ohne privates Sponsoring und finanzielle Unterstützung durch die Filmbranche das „Deutsche Filmerbe“ nicht gerettet werden kann.
So wagte sich die „Murnau-Stiftung“ eher „im Stillen“ an die Restaurierung prominenter Filmerbschaften aus der braunen Periode, an die Werke des besonders unangenehmen Paladins der Nazis, Veit Harlan!
Natürlich nicht an „Jud Süss“, „Der Herrscher“ oder „Die Goldene Stadt“: dafür gibt es in neuem Glanz „Opfergang“ und „Immensee“! Harlan hat beide Filme mit nahezu identischem Team und Hauptdarstellern (Kristina Söderbaum & Carl Raddatz) 1942/43 gedreht in Agfacolor.
Die Restaurierung wurde entscheidend von Arri Media und des Concorde-Filmverleihs bzw. Tele München unterstützt. Concorde bietet die Filme für den Kino-Einsatz an und hat sie in ansehnlichen DVD/Blu-rey-Editionen veröffentlicht.
Zum ersten Mal ist es hier gelungen, die Farben der in Agfacolor gedrehten Filme annähernd originalgetreu zu rekonstruieren. Dabei halfen ein von der Schweizer Filmwissenschaftlerin Barbara Flückiger an der Universität Zürich entwickeltes hochkompliziertes Scanner-bzw.Software-System AFRESA („Automatic Film Restauration and Digitization System for Archives“) und natürlich das Können der Murnau-Restauratorin Anke Wilkening.
Agfacolor war auf Drängen des obersten Nazi-Filmemachers, Propagandaminister Josef Goebbels, Ende der 1930er Jahre eilig entwickelt worden, um dem amerikanischen Technicolor Paroli bieten zu können. Die von den IG-Farben entwickelte Farbfilmverfahren ist in vielem einfacher zu handhaben als das der Konkurrenz. Aber es hat einen entscheidenden Nachteil, der erst Ende der 1950er Jahre behoben werden konnte. Die schönen Pastellfarben von Agfacolor beginnen sich bereits vom ersten Tag an chemisch zu zersetzen. Dieser Prozess lässt sich im Moment auch noch nicht mit AFRESA rückgängig machen. Es ist also nach dem gegenwärtigen Stand der Technik nicht verbindlich auszumachen, wie die Farben bei der Uraufführung ausgesehen haben,
Bei OPFERGANG hatten die Restauratoren zumindest in sofern Glück, dass ein Kamera-Negativ des Films und eine relativ gut erhaltene Positiv-Kopie erhalten sind. Hier konnte Barbara Flückiger mit ihren Messungen ansetzen. Für sie und Anke Wilkening ist die Arbeit an OPFERGANG und IMMENSEE ein Pilotprojekt für die Restaurierung von Agfacolor-Filmen der 1940er Jahre.
Anke Wilkening sagt aus den gemachten Erfahrungen: „Das Problem bei Agfacolor ist eine mangelnde Farbstabilität. Die Farben verblassen und letztlich bleiben nur Farbauszüge in Rosa, Blau oder Gelb. Die Ausblassung hat auch nichts mit der Abnutzung der Kopien zu tun. Selbst wenn der Film unangetastet in seinen Dosen ruht, nimmt der Prozess der Verblassung seinen Lauf“.
Natürlich lassen sich die Agfacolor-Farbfilme ganz einfach mit den Möglichkeiten heutiger digitaler Bildbearbeitung wieder auffrischen. Allerdings hat diese Farbigkeit, nur bedingt etwas mit dem Original zu tun.
Deshalb hat sich Anke Wilkening nach den Erfahrungen mit OPFERGANG und IMMENSEE den Ufa-Jubiläumsfilm MÜNCHHAUSEN von 1943 noch einmal vorgenommen. Die bisherigen – auch auf DVD veröffentlichten – Fassungen lassen Zweifel an ihren authentischen Farben zu. Zum 100. Geburtstag der Ufa im kommenden Jahr soll der neu aufpolierte MÜNCHHAUSEN präsentiert werden.
Nicht nur in ihrer technischen Überlieferung sind OPFERGANG und IMMENSEE ein Herausforderung an die Gegenwart, sondern auch inhaltlich. Beide Filme erzählen auf den ersten Blick private Dreiecks-Geschichten im melodramatisch pompösen Duktus des Regisseurs und Autors Veit Harlan. Da gibt es keine Gehässigkeiten gegen Minderheiten, in großbürgerlichem Milieu sind edle Menschen unter sich. Die Gefühle wogen, während Liebesglück, Entsagung und Tod an der See und im sonnen durchfluteten Binnenland musikalisch mit großem Orchester und Himmelschören (von Hans-Otto Borgmann und Wolfgang Zeller) überhöht werden.
Das verführt Filmkritiker wie Norbert Grob und mit Einschränkungen Dominik Graf (im Booklet zu OPFERGANG) dazu, Harlan zumindest bei diesen Filmen zu entpolitisieren und in eine Reihe mit Douglas Sirk zu stellen. Da sind sie auf dem Holzweg!
Braungebrannt kommt Albrecht (Carl Raddatz) in OPFERGANG von einer Weltreise in den Schoß seiner hanseatischen Familie zurück. Cousine Octavia wird alsbald seine Frau. Das hindert den jungen Mann nicht, mit der burschikosen Nachbarin Aels anzubandeln. Octavia trägt die Seitensprünge des Gatten mit Fassung, zumal Aels todkrank ist und dann auch vom Tod dahin gerafft wird. So reiten zum Schluss Octavia und Albrecht in eine gemeinsame Zukunft.
In IMMENSEE sind die Verhältnisse umgekehrt: Eine Frau und zwei Männer, der eine häuslich-langweilig, der andere weltgewandt, aber unstet. Der Langweiler stirbt, der Weltgewandte sucht das Weite. Die arme Frau steht zum Schluss bei plötzlich einsetzendem Schneefall alleine da… Pech gehabt bei der Partnerwahl!
Nachdem die Juden nach Auschwitz und die Tschechen zur Raison gebracht waren, scheint für Veit Harlan und seinen geistigen Ziehvater Josef Goebbels 1942 die Zeit reif gewesen zu sein, einmal wieder über Wesentliches im Nationalsozialismus nachzudenken und gleichzeitig dem Volk etwas Aufbauendes und schön Buntes zum faschistischen Verständnis zum Verhältnis zwischen Männern und Frauen mit auf den Weg zu geben.
Albrecht in OPFERGANG ist der Mann der Tat, der eine Blüte am Wegesrand nicht ungepflückt lässt: Aels, verkörpert von Harlan-Gattin Kristina Söderbaum ist Nixe und Vamp zugleich. Sie badet gerne nackt, umgibt sich mit einem Rudel Doggen und galoppiert im weißen Badeanzug ohne Sattel auf einem Schimmel. Dabei trifft sie mit Pfeil und Bogen sogar noch ins Schwarze. Das tut eine Deutsche Frau nicht! Ein überirdisches Wesen – mehr Zentaur als Mensch und außerdem ist die Darstellerin Schwedin…
Das ist nicht gut für den deutschen Mann: Verhängnis droht! Er, der Welteneroberer braucht etwas Sicheres an seiner Seite: eine „Hohe Frau“, die ihm zu Füßen sinkt, wie Octavia gleich in einer der ersten Szenen. Übrigens: nicht von ungefähr lässt Veit Harlan sein Gattin in nahezu allen Filmen, die er mit ihr gedreht hat, gegen Ende sterben…
Der „Deutsche Mann“ braucht eine Gefährtin, die für ihn demutsvoll einen „Opfergang“ auf sich nimmt – wie es gegen Ende des Films wörtlich heißt.
Elisabeth – ebenfalls Kristina Söderbaum – will einfach nicht einsehen, dass Reinhart in die Welt muss, um kreativ sein zu können. Das Landleben auf Hof IMMENSEE ist zwar ganz beschaulich, aber der deutsche Mann muss hinaus ins feindliche Leben. OPFERGANG in kräftigen Farben, IMMENSEE mehr gedeckt, kaschieren nur bedingt die braune Soße des schlechten Geschmacks, die Veit Harlan hier über den Rand des Erträglichen hinaus anrührt.
Gleichwohl geben OPFERGANG und IMMENSEE einen vorzüglichen Einblick in den gefährlich neurotischen Geist des Nationalsozialismus! Mehr als manche Dokumentation. Das trifft auch auf die Harlan-Filme DAS UNSTERBLICHE HERZ und DIE REISE NACH TILSIT (beide 1939) zu. Sie wurden von der Murnau-Stiftung inzwischen digitalisiert, aber nicht auf DVD veröffentlicht.
Noch expliziter spiegeln die „Vorbehaltsfilme“ den Ungeist der Nazis, weil sie hier alle Hemmungen fahren ließen! Deshalb wäre es wichtig, sie in geeigneter Form der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Als unverblümter Ausdruck eines mörderischen Systems.
Die meisten der 40 Filme sind ohnehin integral im Internet zu besichtigen. Zwar ist es der Murnau-Stiftung gelungen, YouTube zu veranlassen, den Zugang zu JUD SÜSS zu sperren, aber inzwischen ist der antisemitische Hetzfilm auf anderen Portalen zu sehen.
Seriös gibt sich das amerikanische Label „International Historic Films (IHF)“ und bietet ebenfalls eine Vielzahl von Vorbehaltsfilmen über den Online Supermarkt „Amazon“ an. JUD SÜSS oberflächlich restauriert als „DeLuxe“-Edition mit einem ausführlichen Video-Kommentar des angesehenen Filmhistorikers Eric Rentschler. Im Moment annonciert IHF eine Karl Ritter-Werkausgabe… Bei der Murnau-Stiftung ist die Firma kein Unbekannter. Murnau-Geschäftsführer Ernst Szebedits teilt dazu auf Anfrage mit:
„Rechte zur Veröffentlichung sind von IHF in keinem Fall mit uns abgeklärt, d.h. die Filme sind nicht von uns lizenziert und legalisiert. Auch stammt das Material nicht aus unserem Archiv. Insofern kann es sich nicht um fachgerechte Restaurierungen handeln, da das Originalmaterial nicht zur Verfügung stand und steht.“
Versuche der Murnau-Stiftung in den USA den Handel mit NS-Propaganda zu unterbinden, sind bisher gescheitert. Ernst Szebedits: „Nach Auskunft des US-Justizministeriums gestalten sich die Ermittlungen des FBI zeitaufwendig und schwierig. Schlussendlich wurde die Strafverfolgung abgelehnt…“
Da würde also nur die Flucht nach vorne helfen und – wie von Filmwissenschaftlern seit langem gefordert – die Vorhaltsfilme selbst in anspruchsvollen, wissenschaftlich aufbereiteten Editionen zu veröffentlichen. Das scheitert bisher nicht nur durch die klammen Finanzen des Hauses, sondern vor allem an politische Bedenken. Sowohl im Kuratorium der „Murnau-Stiftung“ als auch im Kulturstaatsministerium fürchtet man sowohl den möglichen Applaus von der falschen Seite, als auch Schlagzeilen von der Art „Mit Steuergeldern werden Nazi-Propaganda-Filme restauriert“.
Bedenken, die durch die kommentierte Ausgabe von Hitlers „Mein Kampf“ in diesem Frühjahr haltlos geworden sind. Die gewichtige Ausgabe steht zwar lange auf der SPIEGEL-Bestsellerliste, aber den Neo-Nazismus befeuert hat sie nicht…Schwer vorstellbar, dass sie in Bautzen von Hand zu Hand geht! So wird es auch mit den Vorbehaltsfilmen der Fall sein -wenn sie in seriöser Verpackung bei einem angesehenen Label aufgelegt werden!