Deutschland 2011
Regie: Rosa von Praunheim
Kinostart: 24. Februar 2011
Bei den männlichen Prostituierten in den deutschen Großstädten zwischen Berlin und Stuttgart handelt es sich zu 70 Prozent um Asylbewerber aus Südosteuropa. Der Rest hat ebenfalls Migrations-hintergrund. Über diese Chancenlosen am Ende der sozialen Leiter hat Rosa von Praunheim seinen neuen Dokumentarfilm „Die Jungs vom Bahnhof Zoo“ gedreht, der gestern im Rahmen der Berliner Filmfestspiele uraufgeführt und allgemeine Betroffenheit auslöste.
Ionel ist Roma und lebt als chancenloser Asylbewerber mit Frau und Kind in Berlin. Zunächst hat er versucht, mit Straßenmusik seinen Unterhalt aufzubessern. Jetzt geht er als Stricher anschaffen.
Rosa von Praunheim hat für seinen Film „Die Jungs vom Bahnhof Zoo“ das Heimatdorf von Ionel in Rumänien besucht und zeigt die Verhältnisse einer diskriminierten Minderheit. Es geht ums pure Überleben. Der Strich in einer deutschen Großstadt ist eine Möglichkeit.
Ionel – nicht mehr der Jüngste und Attraktivste – ist eine stabile Persönlichkeit und hat sich in Deutschland als Stricher mit festem Kundenstamm eingerichtet. In der Subkultur gehört er damit zur Oberklasse. Die Underdogs sind halbe Kinder unter 16. Um sie kümmert sich zum Beispiel „Sub/way Berlin/Hilfe für Jungs e.V.“ mit Streetworkern und der Ärztin Claudia Thomas. Sie ist Nächtens mit einem zur mobilen Praxis umgebauten Wohnmobil an sogenannten Brennpunkten unterwegs – mit Aidsprävention und Kondomen.
Zusammen mit Sozialarbeitern berichtet sie vom alltäglichen Elend der „Jungs“ nicht nur vom Bahnhof Zoo. Im Unteren Schlossgarten von Stuttgart werden trotz Stuttgart 21 kaum andere Verhältnisse herrschen: für deutsche Freier billiger Sex – meistens ohne Schutz! Mit Jugendlichen, die meistens seit frühester Kindheit sexuell und auch sonst misshandelt wurden. Sie erzählen vor Rosa von Praunheims Kamera wie ihre Stricher-Karrieren begannen.
Er hat mit „Die Jungs vom Bahnhof Zoo“ einen Film gedreht, der beschämt; zeigt eine Schattenseite unserer Gesellschaft, die geflissentlich übersehen wird.
Dabei geht es nicht darum, nach einem Verbot der Prostitution zu rufen. Der männlichen wie der weiblichen: Die gab es immer und wird es auch in Zukunft geben. Es geht um Menschenwürde. Und der will der Filmemacher zu ihrem Recht verhelfen.
Mit der von ihm gewohnten Sensibilität und filmischer Überzeugungskraft hat Praunheim mit „Die Jungs vom Bahnhof Zoo“ wieder einmal ein heikles Thema in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt.
Wie in kaum einem anderen Bereich zeigt sich hier das Verhängnis einer auf Ignoranz und Abgrenzung zielenden Ausländerpolitik – in unheilvoller Allianz mit den Versäumnissen in der Kinder-und Jugendhilfe. Der Film würdig gleichzeitig die Arbeit von Organisationen wie der Berliner „Hilfe-für-Jungs“ oder des „Café Strich-Punkt“ in Stuttgart. Hier finden die jungen Stricher wenigstens für kurze Zeit Ruhe und etwas Geborgenheit.
In den nächsten Wochen wird Rosa von Praunheim in verschiedenen Städten in Zusammenarbeit mit örtlichen Sozialarbeitern seinen Film persönlich vorstellen. Näheres dazu unter www.basisfilm.de.