Jubel auf allen Rängen bereits vor dem Film „The Salt oft he Earth“ für Wim Wenders. Anschließend minutenlange Standing Ovation für den Regisseur für den Dokumentarfilm über brasilianischen Fotographen Sebastiano Salgado – einem der Stars der zeitgenössischen Fotografie. Sein Sohn Juliano Ribeiro stand Wenders als Ko-Regisseur zur Seite.
Salgado, der in Paris lebt, wurde vor allem durch seine Schwarzweiß-Fotos über Arbeitswelten bekannt. Eines seiner berühmtesten Bilder entstand 1986. Es zeigt die unter mittelalterlichen Bedingungen arbeitenden Goldschürfer in der brasilianischen Mine Serra Pelada.
Wenders hat einen überaus braven Kulturfilm über Salgado gedreht, der sich ehrfürchtig durch die verschiedenen fotografischen Zyklen des Meisters manövriert. Teils in Englisch (Wenders Salgado-Bilder erklärend im O-Ton), teils in Französisch (Salgado sich selbst erklärend) will der Funke der Begeisterung nur selten auf den (deutschen) Zuschauer überspringen.
Man sieht Salgados humanistisches und umweltbewusstes Engagement zwar mit Interesse, aber Wenders Schulfunk-Duktus ermüdet auf die Dauer von zwei Stunden dann doch etwas: das zeigte sich an meinen Kino-Nachbarn zur Rechten wie zur Linken, die sich zwischendurch ein Nickerchen gönnten.
Eines muss man Wim Wenders aber lassen, „The Salt oft he Earth“ macht Lust, einmal wieder in den zahlreichen Salgado-Bildbänden zu blättern. Es muss ja nicht unbedingt die limitierte Auflage von „Genesis“ im Taschen Verlag für 8500 Euro sein. Die „Volksausgabe“ für 49.90€ tut es auch! Dabei muss freilich bedacht sein, dass dann weniger für Salgados Wiederaufforstungsprogramm des Regenwaldes abfällt…
Mit der großen Ambition ein neues filmisches Kapitel im eigenen Oevre aufzuschlagen, ging es weiter: Michel Hazanavicus ist mit seinen witzigen Bond-Parodien „OSS 117“ bekannt geworden und hat mit „The Artist“ nicht nur die „Goldene Palme“, sondern auch einen „Oscar“ gewonnen.
Daraufhin hat er sich wohl gesagt, jetzt ist aber Schluss mit lustig und ein ernsthafter Stoff muss her. Den hat Filmkenner Hazanavicius bei Fred Zinnemann und dessen Film „The Search“ von 1948 gefunden. In dem Melodram geht es um die Familienzusammenführung von Auschwitz-Überlebenden. Hochdramatisch mit Schweizer Geld und Montgomery Clift in der Hauptrolle gedreht…
In Hazanavicius heute uraufgeführtem „The Search“ spielt die Geschichte im zweiten Tschetschenien-Krieg 1999. Mit äußerster Brutalität führte Russland damals einen Vernichtungsfeldzug gegen die tschetschenische Bevölkerung. In dem neuen Film es geht nicht nur um Kinder, die erst verloren gehen und dann wiedergefunden werden, sondern um einen jungen Russen, der durch militärischen Drill zum sadistischen Killer wird.
Ein sehr ehrenhafter Film, bei dem sich die Macher etwas gedacht haben. Zum Beispiel nimmt sich eine Mitarbeiterin der Vereinten Nationen (gespielt von Frau Hazanavicus Bérénice Bejo) auf den Straßen von Grosny eines vermeintlichen Waisenknaben an. Damit das einigermaßen glaubhaft wirkt, wird uns das als Ersatzhandlung angesichts der Hilflosigkeit der UN verkauft. Einfach rührend!
Ebenso wie beim Vorbild 1948 das glückliche Ende des Suchens nur mit der dramaturgischen Brechstange gelingt, ächzt die Konstruktion 2014 erst recht! Immerhin hatte Fred Zinnemann einen ausgesprochenen Hang zum Melodram und als jüdischer Emigrant die Zeitgeschichte im Rücken.
Michel Hazanavicius gelingen dagegen nur mitunter starke Momente – die vor allem auf das Konto der ausdrucksstarken jungen Schauspieler gehen; wenn dann aber die Damen Bérènice Bejo und Annette Benning die Daumenschrauben der Betroffenheit anziehen, wird „The Search“ zu einer schwer erträglichen Angelegenheit von der Sorte, wie man sie von deutschen Fernsehspielen über Bundeswehrler in Afghanistan, Feo Aladags Gefühlsmatsch „Zwischen Welten“ oder Angelina Jolies Tränendrücker„ In the Land of Blood and Honey“ her kennt.
Michel Hazanavicus sollte es also bei diesem einmaligen Versuch im ernsten Fach lassen, hoffen, dass er schnell vergessen wird und zu seinen Leisten zurück kehren. Die elegant inszenierte Ironie gelingt ihm eindeutig besser…