Walter Jonigkeit, eine Berliner Kino-Institution und Chef des Delphi-Filmpalasts, verstarb am 25. Dezember 2009 im Alter von 102 Jahren.Walter Jonigkeit war ein Pionier der deutschen Kinogeschichte – ein Mann, der so alt wurde wie das Kino selbst. Zahllose Anekdoten verbinden Walter Jonigkeit mit der Berliner Kinogeschichte. Seine Berufung für das Kino stammt aus den frühen Tagen – als Kinos noch Paläste waren. Bereits 1932 gründete er das Kino KAMERA UNTER DEN LINDEN. Hier hat Walter Jonigkeit seit den Dreißiger Jahren Programmkino gemacht. Die KAMERA UNTER DEN LINDEN war eines der ersten Reper-toirefilmtheater in Deutschland, das die Filme in Programmheften ankündigte, auf die Wünsche der Zuschauer einging und auch alte Filme wieder spielte. Berlins erstes Off-Kino! Sein zweites Kino lag in Charlottenburg, und heißt heute noch DIE KURBEL. Der größte Erfolg in diesem Kino war „Vom Winde verweht“. Zwei Jahre und vier Monate lief der Film in der Kurbel. Die Leute standen fünfhundert Meter die Straße runter. In der Straßenbahn rief der Schaffner statt: „Ku’damm, Ecke Giesebrechtstraße“: „Vom Winde verweht, aussteigen!“
Bereits 1946 baute er innerhalb von zwei Jahren seinen eigentlichen Filmpalast auf – das DELPHI: Vier stehen gebliebene Wände eines Tanzpalastes neben dem Theater des Westens. Es war eine chaotische Zeit, als Walter Jonigkeit zum großen Coup ansetzte, um die Trümmerstadt mit einem Premieren-Lichtspielhaus zu verwöhnen. Der damalige Bürgermeister Ernst Reuter hatte sein Büro in der Nähe der Baustelle und fragte eines Tages: „Na, Junge, watt brauchste denn?“ Antwort: „Alles!“ Reuter half mit Zement und Steinen, und Jonigkeit konnte den alten Palast in vereinfachter Form wiederherstellen lassen.
1949, nach zweijähriger Bauzeit, war es soweit: Premiere. Bei der Aufführung von „Lord Nelsons letzte Liebe“ mit Laurence Olivier und Vivien Leigh in den Hauptrollen sind die Repräsentanten der englischen Besatzungsmacht anwesend. Das DELPHI ist zu dieser Zeit einmalig in Berlin, es hat die größte Leinwand und die modernste technische Ausrüstung und mit seinen über tausend Plätzen gilt es deutschlandweit als unübertroffen. Zum 10-jährigen Jubiläum bekam das DELPHI als erstes Kino Berlins 70-mm-Projektoren, so konnten die großen, klassischen 70-mm-Filme gezeigt werden.
In diesen Jahren übernahm Jonigkeit zeitweilig noch weitere Kinos: die Astoria-Lichtspiele in Reinickendorf, die Viktoria-Lichtspiele in Schöneberg, in der Hasenheide die Neue Welt, wo Sonntagvormittags Boxkämpfe statt fanden und abends Filme gezeigt wurden. Zwischen 1956 und 1959 führt er das Freilichtkino in der Waldbühne. Außerdem eröffnet er Premieren-Kinos in München und in Hamburg das Savoy-Filmtheater, dass Anfang der 60er Jahre bei den Filmverleihern als schönstes Kino der Republik bekannt und beliebt war.
In den letzten Jahrzehnten hat sich das DELPHI in Berlin als feines Arthauskino etabliert – neben dem „Zoo-Palast“ das letzte klassische Filmtheater in der Nähe des Kurfürstendamms. Überregional Bedeutung hat das DELPHi als Veranstaltungsort der Berlinale-Sektion „Internationales Forum“.