Kuriosa & Vermischtes
In Berlin taut es – nach den Spikes braucht der Mensch in der Bundes-hauptstadt jetzt Gummistiefel, um heil seiner Wege zu gehen. Im Berlinale-Palast ist es immerhin trocken, während sich das Filmfestival seinem Ende zuneigt. Im Programm ist man jetzt bei der Abteilung „Kuriosa & Vermischtes“ angekommen. Freitag am Morgen: „En Familie/Eine Familie“ aus Dänemark. Wie die junge Ditte, die Herzensgute, mit Fehlgeburt und krankem Vater klar kommt, ließ die Kollegin neben mir (abgebrühte Filmkritikerin einer großen deutschen Tageszeitung) vernehmlich ins Taschentuch schnäuzen.
Herb wurde es zur Mittagszeit mit „The Killer inside me“. Das neue Werk des Engländers Michael Winterbottom, einem vielseitigen Filmemacher, der am Beginn seiner Karriere gerne semidokumentarisch in den Krisenregionen der Welt (z.B. Sarajewo) unterwegs war. Für das Flüchtlingsdrama „In this world“ hat er 2003 einen „Goldenen Bären“ bekommen, um wenig später mit Sexakrobatik im heimischen britischen Haushalt bei „9 Songs“ zu unterhalten. Diesmal ging Winterbottom wieder ins Ausland und wählte Texas als Ort der Handlung. Da geht es schlimm zu: Sheriff Lou redet meist schleppend und scheint ein Softi zu sein. Weit gefehlt: in Wirklichkeit ist der Gesetzeshüter mit dem blütenweißen Hemd ein Sadist, der die Frauen seiner Umgebung zu Tode prügelt.
Der Regisseur zeigt es ausgiebig und mit Liebe zum naturalistischen Detail. Wenn zum Schluss alles in Rauch aufgeht, wissen wir immerhin zur Beruhigung, das die Mordlust in Lous traumatisierender Kindheit wurzelt. Kein Wunder bei einer Sado-Maso-Mama. Winterbottom scheint das satirisch zu meinen und hatte wohl einen Film in der Art wie ihn die Coen-Brüder oder David Lynch machen im Sinn. Aber dazu reichte es leider nicht! Vielleicht sollte der Engländer die Beschreibung der Abgründe im amerikanischen Wesen doch lieber den Amis selbst überlassen. Der Film muss sich in einer schwachen Stunde Dieter Kosslicks ins Berlinale-Programm geschmuggelt haben.
Und skurril ging es am Nachmittag weiter: „Mammuth“ von Benoit Delépine, der vorher „Louise-Michel“ gedreht hat, der in deutschen Kinos unter dem Titel „Louise hires a contract killer“ lief. Mammuth wird der übergewichtige Held dieser Tragikomödie genannt, weil er ein antikes „Mummut“-Motorad fährt. Von seiner bewegten Rocker-Vergangenheit zeugt die lange Mähne. Jetzt muß der Metzger seinen Platz an der Schlachtbank räumen und in den Ruhestand gehen. Zur Rente fehlen aber noch wichtige Unterlagen. So schwingt sich Mammuth auf sein Mammut und fährt seine Ex-Arbeitgeber ab, um die Bescheinigungen einzutreiben. Weil das ziemlich viele waren, ist er lange unterwegs, lässt Erinnerungen wach werden und macht neue Bekanntschaften.
Gespielt wird Mammuth von einem enorm fett gewordenen Gérard Depardieu, der Mühe hatte, das Podium zur anschließenen Pressekonferenz zu besteigen. Daran können wir lernen, was passiert, wenn wir unserem Konsum an Rotwein und süßen Stückchen nicht energisch Einhalt gebieten. Dabei ist Delépines Film an- und fürsich ganz witzig, selbst wenn Manches im schräg inszenierten Dunkel hängen bleibt. Im Dunkeln bleibt (auch noch nach der PK) die Idee des Regisseurs, „Mammuth“ mit einer kleinen DV-Kamera zu drehen. Als Folge davon grieselt es auf der Leinwand fürchterlich und trägt nicht unbedingt zum Seh-Genuss bei. Vielleicht liegt es ja nur an meinem zunehmenden Müdigkeitspegel, dass ich die Filme dieses Tages auf die eine oder andere Weise als Zumutung empfunden und folglich dabei gelitten habe….