Es gibt Momente im Leben, die man nicht vergisst: Zum Beispiel jenen Berlinale-Abend im Februar 1988. Auf dem Programm des „Internationalen Forums des jungen Films“ stand eine finnische Shakespeare-Adaption mit dem kuriosen englischen Titel „Hamlet goes business“. Das Ganze war ziemlich komisch und vor allem sehr schräg! Also gute Stimmung im – wie immer – ausverkauften „Delphi- Filmpalast“. Nach der Vorstellung schob sich der Regisseur verlegen vor den Vorhang, um den Applaus entgegen zu nehmen. Nuschelte etwas von „Werry tank ju“ – und wollte die Flucht ergreifen. Doch da war der damalige Forums-Chef Ulrich Gregor bereits zur Stelle und geleitete mit väterlicher Bestimmtheit den Nachwuchsregisseur Aki Kaurismäki zum Gespräch mit dem Publikum. Von da an ging es mit Kaurismäki bergauf. Nicht nur ihm, sondern Filmemachern von Nagisa Oshima bis Jim Jarmusch verhalf Ulrich Gregor (Jahrgang 1932) mit Einladungen zur Berlinale zum Karrierestart. Als die Berlinale 1970 nach dem hausge-machten Skandal um Michael Verhoevens „O.K.“ (mehr dazu am Montag) auf der Kippe stand, war Ulrich Gregor der Retter in der Not. Der von ihm gegründete Berliner „Verein der Freunde der Deutschen Kinemathek“ hat seit den 1960er Jahren die Berlinale ergänzt. Jetzt wurde Gregor mit seinem „Forum“ Berlinale-Vize-Chef und entwickelte eine völlig neues Festival-Feeling.
Es gab Jahre, das war das „Forum“ die eigentliche „Berlinale“ und nicht das schaurige Programm des Internationalen Wettbewerbs. Bevor Ulrich Gregor 1971 mit der Gründung des „Internationalen Forums“ der Berlinale zu einer neuen Dimension verhalf, war er in der deutschen Filmszene bereits eine legendäre Persönlichkeit.
Seit 1957 gehörte er zu den Autoren der Filmzeitschrift „Filmkritik“ die ebenso eine ganze Generation von Cineasten beeinflusste wie seine – zusammen mit Enno Patalas – verfasste „Geschichte des Films“. Sie ist 1962 erschien-en und war auch für mich lange Zeit die Bibel. Doch was wäre Ulrich ohne seine Gattin Erika Gregor. Ebenfalls hochgebildet und von beein-druckender Grandezza, verbindet die Beiden eine symbiotische Beziehung. Am Sonntag werden Erika und Ulrich Gregor mit der „Berlinale Kamera 2010“ ausgezeichnet: Für diesen Anlass haben sie sich den Film „Gishiki“ gewünscht, mit dem 1971 nicht nur das „Internationale Forum des jungen Films“ der Berlinale, sondern auch die Weltkarriere des japanischen Regisseurs Nagisa Oshima begann….
Legendärer Macher: Ulrich Gregor
Berlinale-Legenden Teil 2. Von Herbert Spaich. SWR2 am Morgen vom 12.2.2010.
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