Kalt und zugig empfing Berlin am Mittwoch die ersten Gäste. Bereits der Taxifahrer erzählte zwischen Flughafen Tegel und Mitte, dass sich sein Chef wegen des Wetter, d. h. wegen der nicht vom Schnee geräumten Gehwege in der Stadt den Arm und das Sprunggelenk gebrochen habe. Also Obacht beim Aussteigen.
Tatsächlich sind die Berliner Trottoirs inzwischen mit einer dicken Eisschicht überzogen. Der erfordert akrobatische Fähigkeiten. Trainiert aber ungemein die Sinne. Bevor am Donnerstag dann wenigstens der Marlene-Dietrich-Platz vor dem „Berlinale Palast“ befreit sein wird, ein Blick zurück: Von der gläsernen Allerweltsarchitektur am Potsdamer Platz zum Breitscheidtplatz in Berlin-Charlottenburg – das bröselt ein verblichenes architektonisches Wahrzeichen der Berliner Filmfestspiele vor sich hin – der „Zoo-Palast“
Vor dem zweiten Weltkrieg galt Berlin als die europäische Stadt, mit den nobelsten Lichtspielhäusern: der „Ufa-Palast am Zoo“ oder der „Gloria-Palast“ gleich nebenan, waren Legende. Nach 1945 war von der Pracht nur noch eine Schutthalde übrig, bewacht von der Ruine der Gedächtniskirche. Allein der „Titania“-Palast im entfernten Berliner Stadtteil Steglitz hatte dem alliierten Bombardement widerstanden und die Ehre, die ersten „Berliner Filmfestspiele“ zu beherbergen:
Am 13. September 1956 wurde an der Stelle des einstigen Ufa-Palastes der Grundstein für den neuen „Zoo Palast“ gelegt. Die Architekten Paul Schwebes, Hans Schozberger und Gerhard Fritsche hatten das luxuriö-se Premierenkino als Teil eines Neubau-Ensembles in direkter Nach-barschaft zur Gedächtniskirche konzipiert – sachlich und doch elegant setzt der „Zoo-Palast“ einen Kontrapunkt zur Gebrauchsarchitektur der Umgebung, bietet Platz für 1200 Besucher. Nachdem sich die „Berlinale“ international bewährt hatte, konnte sie jetzt ihre Gäste auch in einem entsprechenden Ambiente begrüßen.
Für über 40 Jahre war der Berliner „Zoo-Palast“ die Heimstadt der Berliner Filmfestspiele und übers Jahr angesagter Veranstaltungsort wichtiger Filmpremieren. Ein verspiegeltes Foyer von der Größe eines Fußballplatzes, großzügige Aufgänge zu den Kinosälen erlauben effekt-volle Auftritte: von Liz Taylor, über Romy Schneider bis Gina Lolobrigida wussten die Stars das Ambiente zu nutzen. Aber die Zeiten änderten sich: bereits in den 1970er Jahren wurde am „Zoo-Palast“ architek-tonische Veränderungen vorgenommen.
Kino-Magie: meisterlich fotografiert von Christine Kisorsy
Der große Saal blieb immerhin unangetastet und steht inzwischen unter Denkmalschutz. Nach dem Umzug der Berlinale an den Potsdamer Platz sieht die Zukunft des „Zoo-Palastes“ allerdings düster aus. Die Berliner Fotografin Christine Kisorsy hat das einstige Vorzeigekino Westberlins eben mit einem exquisiten Bildband gewürdigt: Sein Titel „Kino-Magie. Zoo Palast Berlin“. Erschienen im Bertz + Fischer Verlag (ISBN 978-3-86505-196-7, Preis 17.90 €). Der Band lässt noch einmal die ganze Pracht einer exemplarischen 1950er Jahre-Kinoarchitektur Revue passieren.
Während der Glanz in der Umgebung des „Zoo-Palastes“ bereits arg verblichen ist, droht auch ihm selbst Ungemach. Der heutige Besitzer ist ein Münchner Immobilien-Mogul, der kürzlich mitteilen ließ, man werde den „Zoo Palast“ einer zeitgemäßen Nutzung zuführen. Natürlich in Abstimmung mit dem Denkmalschutz. Das lässt Schlimmes befürchten und das Ende einer Legende erwarten…
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Der Zoo-Palast
Berlinale-Legenden Teil 1. Von Herbert Spaich
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