Deutschland 2011
Regie/Buch/Kamera/Ton/Montage: Wiltrud Baier & Sigrun Köhler
Sendung: 23. August 2011 – 22.45 (ARD)
Sie nennen sich mit der ihnen eigenen Ironie „Böller & Brot“ und verschicken mit ihren Neujahrsglückwünschen schon mal einen Silvester-Knaller. Knaller sind auch die fünf Dokumentarfilme, die Wiltrud Baier und Sigrun Köhler bisher dreht haben. Das liebevolle Portrait eines alten Mannes – „How Time flies“, 2000; dann „Schotter wie Heu“ (2002). Die Beschreibung einer Kleinbank in Hohenlohe war auch im Kino ein Überraschungserfolg. Dann „Der große Navigator“: ein protestantischer Pfarrer aus Calw versucht in Mecklenburg-Vorpommern den Ossies die frohe Botschaft des Herrn nahe zu bringen. Jetzt also Baier/Köhlers Beitrag zu „Stuttgart 21“: „Alarm am Hauptbahnhof“ – eine Koproduktion mit dem SWR.
Nach der Aufforderung eines Polizisten, ihren Einsatz nicht zu behindern, folgt Bildrauschen: Das Ende einer Filmkamera – getroffen vom Strahl eines Wasserwerfers der Polizei am 30. September 2010. Ein ungewöhnlicher Moment in einem ungewöhnlichen Film über „Stuttgart 21“.
Ein irritierter Schlichter nach der Schlichtung kommt in „Alarm am Hauptbahnhof“ ebenso vor, wie ein Innenminister, der über die Wirkung moderner Wasserwerfer im Nachhinein selbst erschrocken ist. Zu seiner Studentenzeit sei das nicht so gefährlich gewesen, sagt er schmunzelnd.
Wiltrud Baier und Sigrun Köhler geht es bei ihrem Dokumentarfilm “Alarm am Hauptbahnhof – Auf den Straßen von Stuttgart 21“ nicht nur um die Rekonstruktion eines beispiellosen Bürgerprotestes, über den bereits eine Landesregierung gestrauchelt ist und deren Folgen noch längst nicht abzusehen sind.
Wie bereits bei ihren vorherigen Filmen, interessieren sich die beiden Filmemacherinnen vor allem für die Menschen und die Details am Rande der Ereignisse: Zum Beispiel für eine ältere Dame, die typisch ist für die neue Qualität des Protestes contra „Stuttgart 21“, den Politiker und die Lobbisten in den Chefetagen der Bahn lange ignorierten.
Sie wussten ebenso wenig mit wem sie es zu tun hatten, wie der Vorsitzende des parlamentarischen Untersuchungsausschusses Winfried Scheuermann als er den Stuttgarter Schauspieldirektor Volker Lösch zum brachialen Polizeieinsatz vom 30. September 2010 befragte. Typisch und dabei höchst befremdlich!
Zu ihrem Film „Alarm am Hauptbahnhof – Auf den Straßen von Stuttgart 21“ schreiben Wiltraud Baier und Sigrun Köhler:
„Bei allen unseren Filmen arbeiten wir mit der Poesie und der Komik des Zufalls. Uns hat diesmal besonders die Kommunikation der Stuttgarter untereinander interessiert. Wie sprechen die Leute miteinander? Der schwäbische Dialekt, die Rhetorik der Politiker, Facebook, Twitter, Streitkultur und Demokratie, Lüge und Wahrheit – all das war uns wichtig“
Und all das findet sich in diesem meisterhaften Dokumentarfilm, der in seiner ernsthaften Haltung und mit einer sympathisch nonchalanten Machart über „Stuttgart 21“ hinaus auf das grundsätzliche Selbstverständnis einer offenen Gesellschaft verweist. Also nicht versäumen: heute Abend 22.45 im Ersten!
billydasregal
Super Film. Er zeigt die Bildungselite wie sie im Selbstherrlichkeit untergeht.
Deshalb hat man ja auch die Eliteförderung eingeführt.
Weiterso in Bayern, Libyen, Russland und dann im Bundestag.
Bitte auch mal Filme über die fehlgeleiteten Forschungsgelder für das schwarze Gold, die Hintergründe, warum das Amerikahaus zumachen muss oder warum zwei Uni-Institute 5 Jahre ohne Leitung auskommen müssen und am Ende nur ein Verkaufsvertreter der Industrie sich aufmandeln darf.
Alina
Guten Morgen !
Wäre es möglich den Film auch mal im SWR zu zeigen ( evtl. sogar um 20.15) ?
Sensationelle Einschaltquoten wären garantiert.
Danke !
Ach ja ……. OBEN BLEIBEN !!!
Bärbel Sorg
Vielen, vielen Dank an die Macher und „Ausstrahler“ der gelungenen Dokumentation „Alarm am Hauptbahnhof“!
Gritt
Eine sehr erhellende und aufschlußreiche Dokumentation.
Ich wünsche mir mehr solcher handwerklich ausgezeichneten Produktonen.
Vielen Dank dafür !
Senior
Die Sendung wurde als eine Dokumentation angekündigt. Wo bleibt da unsere Demokaratie, wenn diese soooo grün-lastig gemacht wird? Interessant ist jedoch zu sehen, welche „Typen“ man zu sehen bekam und welche Sprache diese sprechen!!!!!
Werner Bossert
bei dieser „Dokumentation“ wird der Eindruck erweckt, als ob die Bevölkerung S 21 einmütig ablehne – kein Wort zur Haltung des jetzigen Koalitionspartners SPD. Nicht erwähnt werden die Ergebnisse verschiedener Umfragen, es fehlt ein Hinweis darauf, daß das Projekt rechtlich und vertraglich abgesichert ist – bei einer Dokumentation hätte auch erwähnt werden müssen, daß der Bahnhofsumbau Teil des Gesamtprojekts Stuttgart – Flughafen – Ulm – München ist. Über die Geißler- Vorschläge „Stuttgart 21plus“ und „Stuttgart halb-und-halb“ findet man in dieser „Dokumentation“ nichts.
Übrig bleiben subjektiv ausgewählte Stimmungsbilder, in denen vorwiegend S-21-Gegner zu Wort und Trillerpfeife kommen.
Junior