Deutschland/Bosnien-Herzegovina/Österreich/Kroatien 2010
Originaltitel: Na Putu
Regie: Jasmila Zbanic
Mit Zrinka Cvitesic, Leon Lucev, Ermin Bravo
Kinostart: 2. September 2010 (Neue Visionen)
Das Nachdenken über islamische Glaubenspraxis in einer laizistischen Gesellschaft hat das Kino erreicht. Einen der bemerkenswertesten Filme zu diesem Thema hat die Bosnische Regisseurin Jasmila Zbanic mit „Zwischen uns das Paradies“ gedreht. Nach „Esmas Geheimnis“, für den sie mit dem „Goldenen Bären“ der Berlinale ausgezeichnet wurde, beschäftigt sich Jasmila Zbanic erneut mit der gesellschaftlichen Wirklichkeit in Bosnien nach dem Bürgerkrieg. Sie zeigt, wie in instabilen Verhältnissen der islamische Fundamentalismus an Boden gewinnt. Die Regisseurin wurde dafür mit dem „Bernhard Wicki Friedenspreis des deutschen Films“ ausgezeichnet.
Auf den ersten Blick sind Luna (Zrinka Cvitesic) und Amar (Leon Lucev) ein glückliches Paar. Sie ist Stewardess, er Fluglotse. Im Moment steht für Luna Familienplanung im Mittelpunkt des gemeinsamen Lebens. Sie wünscht sich Kinder. Amar war Soldat im Bürgerkrieg. Seine dabei gemachten Erlebnisse sind tabu. Dass er ein akutes Alkoholproblem mitgebracht hat, verdrängt Luna erfolgreich. An seinem Arbeitsplatz auf dem Flughafen von Sarajevo geht das nicht: Als Amar einmal wieder im Dienst getrunken hat, sind Konsequenzen unvermeidlich – ihm wird gekündigt!
Zunächst nimmt der Alltag im Leben von Amar und Luna weiterhin seinen gewohnten Lauf. Amar versucht seine Arbeitslosigkeit als Auszeit vom Stress der letzten Zeit zu akzeptieren. Durch einen Zufall begegnet er seinem Kriegskameraden Bahrija (Ermin Bravo). Mit ihm verbindet Amar nicht nur traumatische Erfahrungen, sondern die gemeinsame Religion. Beide sind Musilme.
Bahrija hat sich inzwischen den Wahabiten angeschlossen, einer fundamental-islamischen Sekte, die vor allem in Bosnien aktiv ist. Er vermittelt Amir einen neuen Job in einer Wahabiten-Enklave außerhalb der Stadt.
Amar beginnt sich zu verändern. Zunächst reagiert Luna nur irritiert, als ihr Mann den Gebetsteppich ausrollt und die ritualen Gebete verrichtet. Als er dann von ihr die Einhaltung der Gebote der Sharia fordert, lehnt sie das strikt ab. Darüber kommt es während des Zuckerfestes zum Abschluss des Ramadan im Kreis der Familie zum Eklat. Amar pocht auf seine männliche Autorität.
Bis dahin folgt Jasmila Zbanic in „Zwischen uns das Paradies“ den typischen Mustern landläufiger Tragödien, die sich mit der Repression islamischer Männer gegenüber emanzipierten Frauen beschäftigen. Zum Beispiel in Feo Aladags „Die Fremde“. Doch so einfach macht es sich die Regisseurin nicht. In ihrer Dankesrede nach der Verleihung des „Bernhard Wicki Friedenspreises“ sagte Jasmila Zbanic Anfang Juli in München:
„Mein Ziel war es, Amar und seine Wandlung zu erforschen. Bei meinen Recherchen fand ich heraus, dass eine Wandlung gewöhnlich dann am raschesten vonstatten geht, wenn die vorangegangene emotionale Leere sehr groß war. Amar sehnt sich nach vielem: Trost, Sinn und Erklärungen“
Das treibt ihn zu den Fundamentalisten. Unaufgeregt beschreibt Jasmila Zbanic in ihrem mutigen Film den Prozess einer Entfremdung. Was passiert, wenn in einer Beziehung die gegenseitige Achtsamkeit verloren gegangen ist. Das lässt sich auf die Gesellschaft insgesamt übertragen. Die Rattenfänger sind immer unterwegs. „Zwischen uns das Paradies“ ist ein schnörkellos inszenierter Film, der an die Vernunft appelliert und dabei das Gefühl nicht ausklammert, der auf sensible Weise berührt und so für sich einnimmt.