Deutschland 2012
Regie: Georg Maas
Mit Juliane Köhler, Liv Ullmann, Ken Duken
Kinostart: 19. September 2013
Auch noch nach über 60 Jahren tauchen neue Details über NS-Verbrechen auf. So ist das Schicksal der Kinder nahezu unbekannt, die norwegische Frauen von deutschen Soldaten nach der Besetzung Norwegens durch die Wehrmacht bekommen haben. Für sie gab es spezielle Geburtskliniken. Im Rahmen der Rasse-Ideologie der Nazis galten diese Kinder als biologisch besonders wertvoll, wurden von der SS den Müttern weg genommen und in Kinderheime der berüchtigten „Aktion Lebensborn“ gebracht. In erster Linie in das Heim „Sonnenwiese“ in Sachsen. In der DDR wurden die Kriegskinder aus dem in Pflegepflegefamilien unter gebracht und als Erwachsene von der Stasi missbraucht. Von diesem haarsträubenden Unrecht handelt der Film „Zwei Leben“ von Georg Maas, der eben für den „Oscar“ 2014 vorgeschlagen wurde und ab dieser Woche in den deutschen Kinos zu sehen ist.
Deutschland im November 1990: die DDR ist Vergangenheit. Eine seltsam nervöse nicht mehr ganz junge Frau irrlichtert durch Berlin. Nachdem sie sich in einer Bahnhofstoilette von Brünett mittels Perücke in Schwarz verwandelt hat und eine Sonnenbrille aufsetzt ohne das Wetter danach wäre – ahnt der erfahrene Kinogänger, dass da jemand Undercover unterwegs ist. Szenenwechsel: Norwegische Idylle auf dem Lande. Die Dame, jetzt wieder brünett und scheint im bürgerlichen Heim zuhause…
Ihre Welt noch einigermaßen in Ordnung. Doch gewisse Zeichen deuten darauf hin, dass sie Grund hat, Auswirkungen der politischen Umbrüche in Europa auf ihr Schicksal zu befürchten. Da taucht ein Anwalt auf, der eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof auf Wiedergutmachung für die sogenannten Norwegischen Kriegskinder vorbereitet. Während Katrine ihn brüsk abweist, berichtet ihre Mutter ausführlich von ihrer Stigmatisierung wegen der ungehörigen Beziehung zu einem deutschen Soldaten und der Entführung ihres Kindes. Eigene Nachforschung im Nachkriegsdeutschland verlaufen im Sande.
Doch dann – wesentlich später – steht die inzwischen erwachsene Katrine vor der Tür. In seinem Film „Zwei Leben“ geht Regisseur Georg Maas einer nahezu diabolischen Methode nach, mit der das Ostberliner Ministerium für Staatssicherheit Auslandsspionage betrieben hat.
Der Rechtsanwalt deckt Widersprüche in Katrines Biographie auf. Die Familie ist ratlos. Noch sind sie sich nicht im Klaren darüber, dass sie alle Teil einer zynischen Strategie der Stasi geworden sind:
Mit einem raffinierten Trick benutzen die DDR-Behörden die tatsächlichen Biographien der Kriegskinder. Sie statten ihre Auslands-Agenten damit aus, um sie damit in die norwegische Gesellschaft zu infiltrieren. Die tatsächlichen „Kinder“ wussten davon nichts. SDie Agenten konnten – wie die falsche Katrine – in einem geschützten Bereich Informationen sammeln, ohne Verdacht zu erregen. Selbst als die Wahrheit scheibchenweise ans Licht kommt, verleugnet Katrine ihre wahre Biographie. Nicht ohne Grund: sie ist in akuter Gefahr. Auch nach dem Ende der DDR wollen die einstigen Führungskader des MfS mit allen Mitteln verhindern, dass ihre Methoden offenbar werden.
Mit einem unsentimentalen Blick auf die Verhältnisse macht Georg Maas in „Zwei Leben“ klar, wie die Lüge Katerine zu ihrer Gefangenen gemacht hat, aus der es keinen Ausweg gibt. Da merkt man seine Er-fahrung aus Dokumentarfilm-Regisseur. „Zwei Leben“ ist erst sein zweiter Spielfilm. Durchweg solide inszeniert, mit ansehnlichen schauspielerischen Leistungen von Juliane Köhler und Ken Duken. Die einstige Ingmar Bergman-Heroine Liv Ullmann als Mutter mit Woll-mütze scheint sich allerdings in ihrer Rolle nicht sonderlich wohl zu fühlen und bleibt blass im Hintergrund. Ein Film, der zwei Fliegen mit einer Klappe schlägt: Nazi-Verbrechen plus Stasi-Unwesen. Also ideal, um für einen Oscar nominiert zu werden – den er natürlich nicht be-kommen wird. Allein die gute Absicht ist zu loben….