Der große französischen Regisseur und Mitbegründer der „Nouvelle vague“`Éric Rohmer ist tot. Gestorben in seinem 90. Lebensjahr. Seit 1962 drehte er Filme, noch im hohen Alter filigrane Kunstwerke:„Das Bestreben des modernen Filmemachers, und so auch meines, geht dahin, ganz und gar Autor seines Werkes zu sein, also auch die Aufgabe zu übernehmen, die früher dem Drehbuchautor zufiel. Diese Verfügungsgewalt jedoch, anstatt ein Vorteil und Ansporn zu sein, erscheint manchmal als Hemmnis. Uneingeschränkter Herr seines Gegenstands zu sein, je nach Inspiration oder momentaner Erfordernis etwas zu streichen oder hinzuzufügen, ohne jemandem Rechenschaft abzulegen – das berauscht einen zwar, es lähmt aber auch: diese Leichtigkeit ist eine Falle. Entscheidend ist, dass einem der eigene Text tabu ist, andernfalls gerät man ins Schwimmen, und die Schauspieler mit einem…“
Das schrieb Jean-Marie Maurice Schérer, der sich Éric Rohmer nannte, 1974 im Vorwort zum Drehbuch seines Films „Ma nuit chez Maud/Meine Nacht bei Maud“. Nicht nur hier, bei einer seiner „Sechs moralischen Erzählungen“, sondern bei seinem gesamten großen Oevre, ist Rohmer nie der Leichtigkeit in die Falle gegangen. Je älter er wurde, desto leichter wurden seine Filme, verstand er es, vom Alltag beiläufig zu er-zählen. Zumindest auf den ersten Blick. Bei näherem Hinsehen handelt es sich dabei um hochartifizielle Gebilde, deren Handlung ganz und gar im Optischen liegt. Da zeigt sich, dass der Meister vom Improvisieren wenig hielt; alles exakt im Drehbuch fixierte. In dieser Beziehung folgte Èric Rohmer seinem großen Vorbild Alfred Hitchcock, über den er 1955 zusammen mit Claude Chabrol ein Buch geschrieben hat. Rohmer war maßgeblich an der Entdeckung Hitchcocks in Europa beteiligt – als Mitarbeiter der französischen Filmzeitschrift „Cahiers du Cinema“, zu deren Redaktion auch Jean-Luc Godard und Francois Truffaut gehörten. 1959 schrieb Rohmer zum Beispiel über Hitchcocks „Vertigo/Aus dem Reich der Toten“: „In ‚Vertigo’ bewegen wir uns genau in gleicher Weise durch den Raum, wie wir uns durch die Zeit bewegen, genau so, wie sich auch unsere Gedanken und die handelnden Personen bewegen. Es sind Sondierungen, genauer gesagt Bohrungen in die Vergangenheit.“ Aus diesem Bewusstsein heraus entwickelte Èric Rohmer sein Selbstver-ständnis als Auteur des Films, dem er ein Leben lang treu geblieben ist… Wir verdanken ihm viel! In Frankreich gibt es sein Gesamtwerk auf DVD – in Deutschland zumindest seine wichtigsten Filme – bei Arthaus/Kinowelt.
Aufschlussreich der Band „Eric Rohmer. Der Geschmack des Schönen“ aus dem Verlag der Autoren. Und – ganz Rohmer – seine einzige literarische Arbeit, der Roman „Elisabeth“ (Verlag Rogner & Bernhard bzw. Heyne Taschenbuchverlag) aus dem Jahr 1946.