Wie kein anderes Medium kann der Film unmittelbar auf gesellschaftliche Entwicklungen und Stimmungen reagieren: die Revolution in Ägypten, die Emanzipation palästinensischer Frauen, die Verunsicherung von englischen Soldaten nach dem Einsatz in Afghanistan oder die generelle Irritation des Einzelnen in der modernen Massengesellschaft. Dank DVD und Blu-ray bietet das „Heimkino“ Gelegenheit zur medialen Reise durch die unterschied-lichen Befindlichkeiten unserer Zeit.
Das „Baby“ – eine junge Frau – wehrt sich gegen die handgreifliche Anmache auf offener Straße und rammt dem Grabscher eine Nagelfeile in seine wertvollsten Teile. Das Beispiel macht Schule. Neuerdings melden sich ägyptische Männer mit mysteriösen Verletzungen am Unterleib: In seinem Spielfilm „Kairo 678“ beschreibt Regisseur Mohamed Diab eine spezielle Variante der weiblichen Revolution in Ägypten. In der Öffentlichkeit waren Frauen – mit oder ohne Kopftuch und Schleier – sexuellen Übergriffen von Männern ausgeliefert. Selbst Vergewaltigungen wurden ignoriert bzw. zum Anlass genommen, um bei der betroffenen Frau auf Distanz zu gehen. Zum Beispiel dieser Arzt. Nachdem seine Frau vergewaltigt wurde, schläft er lieber in seinem Dienstzimmer zum Krankenhaus.
Da sorgt die junge Nico für öffentliches Aufsehen: Nachdem sie ihren Vergewaltiger angezeigt hat, wird Nico sogar in eine Talkshow eingeladen.Mutige Frauen beschreibt der Film „Kairo 678“ nah an der neuen gesellschaftlichen Wirklichkeit im Nahen Osten. Regisseur Diab zeigt aber auch, dass es noch ein weiter Weg bis zur tatsächlichen weiblichen Emanzipation in Ägypten und Umgebung sein wird. Den Film gibt es von Arsenalfilm auf DVD – im untertitelten Original und in der deutschen Fassung…
Inam kommt Lara in jeder Beziehung ungelegen: der Kontakt zur Jugendfreundin war seit Jahren abgerissen. Die gemeinsame Kindheit in Ramallah ist so weit weg ebenso, wie alles was damals geschah. Lara lebt jetzt in besten finanziellen und privaten Verhältnissen in London.
In seinem Film „Lipstikka“ erzählt Regisseur Jonathan Sagall vom Versuch, ein Kindheitstrauma zu überwinden: Lara und Inam haben den israelisch-palästinensischen Bürgerkrieg zu spüren bekommen. Sie sind Opfer geworden. Die beiden Frauen haben Grenzen über-schritten, um sich zu befreien. Mit mäßigem Erfolg. „Lipstikka“ ist vor zwei Jahren bei den Berliner Filmfestspielen uraufgeführt worden und erscheint jetzt bei der Edition Salzgeber auf DVD – in der Originalfassung mit deutschen Untertiteln.
Ebenfalls aus England kommt „The Veteran“ direkt auf DVD von Pandastorm: Robert Miller hat sich bei einer Fallschirmspringer-Brigade der britischen Armee nach Afghanistan verpflichtet. Jetzt ist er wieder da.
Ein Nachbar überrascht mit einer interessanten Version, warum die USA und die europäischen Nationen am Hindukusch militärisch eingegriffen haben. Die Perspektive eines Drogendealers.
Noch interessanter ist der Job, den Veteran Miller schließlich bei einem konspirativen Treffen von einem hochrangigen Vertreter des britischen Geheimdienstes angeboten wird. Miller gerät in einen intriganten Sumpf. Dabei geht es weniger um die Sicherheit der Nation und mehr um die Sicherung persönlicher Interessen.
Dabei fließt viel Geld. Damit der Strom nicht ins Stocken gerät, haben Männer wie Miller als bewaffnete Kanalarbeiter für freie Bahn zu sorgen. „The Veteran“ ist ein Thriller der besonderen Art. Von Matthew Hope solide inszeniert, geht die analytische Perspektive nicht im Action-Getümmel unter. Dazu gibt es auf-schlussreiche Dokumentationen im Bonusteil.
„Mondo Manila“ heißt der neue Film des philippinischen Musikers und Regisseurs Khavn de la Cruz. Eine provozierend schrille Mischung aus Dokumentar- und Spielfilm, die in Deutschland von „Rapid eye movie“ als DVD-Premiere veröffentlicht wird. Ein Film über den Moloch Manila. Freilich nicht als triste Sozialreportage, sondern als vitaler Report über unterschiedliche Strategien trotz allen Schreckens weiter zu leben…
Ein Bruder im Geiste von Khavn de la Cruz ist sein französischer Kollege Leos Carax. Er hat sich mehrere Jahre Zeit gelassen, bis er „Holy Motors“ letztes Jahr in Cannes präsentierte. Eine Tour durch Paris bei Nacht…in einer weißen Stretch-Limousine.
Zu jedem Termin schlüpft Monsieur Oscar in eine andere Rolle – vom Banker bis zum Glöckner von Notre Dame. Carax drehte mit „Holy Motors“ ein raffiniert verschachteltes Portrait unserer Zeit, in dem man häufig verstört und irritiert wird bzw. nicht genau weiß, was man von Allem halten soll. Fünf spannende Filme zum Zeitgeist:
„Kairo 678“, „Lipstikka“, „The Veteran“, „Mondo Manila“ und „Holy Motors“: Die Preise: zwischen drei und 18 Euro.