Stur verbarrikadiert sich eine Familie in ihrem Eigenheim, nachdem nebenan eine Autobahn in Betrieb genommen wurde. Eine ganz spezielle Form familiären Horrors hat die Schweizer Regisseurin in ihrem Debut „Home“ 2008 beschrieben und ist dafür mehrfach aus-gezeichnet worden. Ihr zweiter Film heißt „L’enfant d’en haut“ und bekam im vergangenen Jahr einen „Silbernen Bären“ der Berliner Filmfestspiele. Auch das ein außergewöhnlicher Film. Er ist jetzt in der Reihe „Good Movies“ unter dem deutschen Titel „Winterdieb“ auf DVD erschienen.
Simon ist 12 und ein cleveres Bürschchen! Mit seiner älteren Schwester Louise ist er in einem tristen Industriegebiet am Rande der französisch-schweizerischen Alpen auf sich allein gestellt. Louise hat gerade ihren Aushilfsjob verloren. Jetzt muss Simon allein für den Lebensunterhalt sorgen. Er hat sich ein raffiniertes System ausgedacht, wie er zu Geld kommen kann.
Simon fährt jeden Morgen in eines der prächtigen alpinen Ski-Reviere und klaut Skier, die ihre Besitzer unvorsichtiger Weise aus den Augen gelassen haben. Der Junge lässt aber auch jede Art von Zubehör mitgehen, die er dann im Tal preiswert weiter verkauft. Ein kleiner Robin Hood…der die Vesperbrote der Touristen nicht verschmäht…
Ohne moralische Wertung folgt Ursula Meier ihrem kleinen Dieb bei seinen Exkursionen. Ihr Simon ist einer der sich dagegen wehrt, dass die einen so viel und die anderen so wenig haben. Er sorgt ganz selbstverständlich für die Umverteilung von Konsumgütern. Dabei versteht sich Simon auch in heiklen Momenten zu wehren. Zum Beispiel wenn er beim Klauen erwischt wird.
Mit „Winterdieb“ gelang Ursula Meier ein stiller, berührender Film über die Kraft von Kindern am Rande der Gesellschaft, die keine Kindheit haben. Sie sind damit beschäftigt, zu überleben. Ein Armutszeugnis für eine Region, die zu den reichsten Teilen der Welt gehört. Geschickt kombiniert die Regisseurin Oben und Unten in ihrem Film: Oben gibt es alles im Überfluss: Sonne, Schnee, Geld und Glamour. Unten die Armut und Trostlosigkeit.
Wenn die Saison vorbei ist, muss Simon zusehen wo er bleibt. Ursula Meier lässt keinen Zweifel daran, dass er etwas finden wird. An den Verhältnissen ändert sich freilich kaum etwas. Simon bleibt ein Gefährdeter, der aus dem sozialen Netz der Gesellschaft zu fallen droht – wenn ihm niemand hilft. Ursula Meier versteht ihren Film „Winterdieb“ auch als Appell an uns alle, an Kindern wie Simon nicht achtlos vorbei zu gehen. Den ausgezeichneten Film gibt es aus der Reihe „Good Movies“ für rund 16 Euro.