USA 2011
Regie: Yony Leyser
Kinostart: 12. Januar 2012
Zusammen mit Alan Ginsberg und Jack Kerouac ist William S. Burroughs in den 1950er Jahren als „Beat Generation“ in die Literaturgeschichte eingegangen. Mit ihren Büchern „Howl“, „On the road“ haben sie nicht nur die Zukunft des Schreibens, sondern auch die der Musik und der Malerei wesentlich beeinflusst. Von der Pop Art bis zum Punk. Andy Warhol betonte vor allem Burroughts Einfluss ebenso wie die „Rolling Stones“, „Iggi Pop“ oder „Genesis“. Nachdem die kompletten Fassungen sowohl von „On the road“ als auch von „Nacked Lunch“ in letzter Zeit in deutscher Übersetzung neu aufgelegt wurden; ein dokumentarischer Spielfilm über den Skandal um Alan Ginsbergs „Howl“ für Aufsehen sorgte, kam diese Woche mit „William S. Burroughs: A man within“ ein weiterer ungewöhnlicher Film über die „Beat Generation“ in die deutschen Kinos.
“Schon mal Koks in die Vene gespritzt? Trifft direkt ins Hirn und aktiviert neuronale Verbindungen, die pure Lust erzeugen. Bei Morphin entsteht das Lustgefühl in den Eingeweiden. Nach einem Schuss hört man in sich hinein!“
Aus „Naked Lunch“, William S. Burroughs Opus Magnum von 1959. Nach wie vor stellt diese Entdeckungsreise des Autors in die Höhen und Tiefen der Drogenerfahrung den Leser auf eine harte Belastungsprobe. Bis zu seinem Tod 1997 experimentierte Burroughts mit Drogen, um für kreative neue Dimensionen zu entdecken.
Der in Berlin lebende 25jährige amerikanische Filmemacher Yony Leyser hat mit seinem Debut „William S. Burroughs – A man within“ , einer originellen Kombination aus seltenem Archivaufnahmen und Interviews mit Zeitzeugen und Künstlern realisiert, die sich Burroughs auf unterschiedliche Weise verbunden fühlen. Vom Schauspieler Peter Weller, der in der „Naked Lunch“-Verfilmung von David Cronenberg den Schriftsteller verkörpert hat, über John Waters und Gus van Sant bis zu Laurie Anderson. Weller sagt zum Beispiel über Burroughs:
„Er entzog sich jeder Etikettierung! Er bemühte sich nach Kräften, nicht ausgegrenzt zu werden. Dabei war er einer der ganz wenigen, die den Mumm hatten – vergleichbar mit Jean Genet und Pier Paolo Pasolini – Gesellschaftskritik und Homosexualität verbunden mit kritischer Beschreibung von Drogenkonsum öffentlich und literarisch zu formulieren.“
Dabei steht die teilweise drastische Schilderungen in der Welt der Junkies im Widerspruch zur äußeren Erscheinung des William S. Burroughs: feingliedrig, immer elegant gekleidet, war nicht zu übersehen, dass er auf reichem Hause kam. Ein Aristokrat der gar nichts von einem wilden Beatnik hatte wie Jack Kerouac oder Alan Ginsberg. Obwohl er im ihnen befreundet war, sah er sich selbst nicht als Teil der Beat-Generation: Auch im Film „William S. Burroughs: A man within“ erleben wir ihn vor allem als kultivierten Intellektuellen, der um seine Homosexualität nicht sonderlich viel Aufhebens macht. Zumal er auch mit Frauen intensive befreundet war. Unter anderem mit der Sängerin Patti Smith. Sie erinnert sich in Leysers Film:
„ Ich war total verknallt in William! Ich stellte mir vor, er würde sich in mich verlieben. Wir würden heiraten. Er wusste das und es störte ihn nicht. Wenn wir zusammen waren, konnte er sagen: Ja, meine Liebe, die Nacht geht zu Ende, sing‘ mir einfach was…“
Zu den Widersprüchen in Burroughs Persönlichkeit gehört auch seine Waffenleidenschaft. Er ging nie ohne geladenen Revolver aus dem Haus. Dabei hatte diese Obsession bereits 1951 zu einer Katastrophe geführt: nach beträchtlichem Drogen-und Alkoholkonsum wollte Burroughs nach Wilhelm Tell-Manier, seiner damaligen Gattin Joan Voller Adams ein Whiskyglas vom Kopf schießen. Leider verfehlte er das Glas. Vollmer war sofort tot.
Im Alter wurde Burroughs sein Waffenfetischismus dann doch etwas peinlich und er kaschierte seine Lust am Schießen als „Shotgun-Art“. Er zielte auf Farben-Spray-Flaschen, die auf einer Sperrholzplatte befestigt waren. Die Ergebnisse werden inzwischen hoch gehandelt und hängen in großen Museen.
„William S. Burroughs: A man within“ ist ein faszinierender Film über eine der einflussreichsten Ikonen des 20. Jahrhunderts. Betont subjektiv und doch aus skeptischer Distanz bleibt Regisseur Leyser ganz nah an der Persönlichkeit des Autors, der am Ende seines Lebens in seinem Tagebuch notierte: „Liebe – Was ist das? Das natürlichste Schmerzmittel überhaupt!“
Übrigens „Nacked Lunch“ gibt es in der ersten kompletten deutschen Übersetzung seit kurzem als rororo-Taschenbuch!