Mit ihrer DVD-Reihe „Cinemathek“ hat die Süddeutsche Zeitung eine Marktlücke entdeckt und geschlossen. Die Auswahl der Veröffentlichungen bestimmen die Filmkritiker der Zeitung. Das bürgt für Qualität und erleichert die Auswahl. Neu in der SZ-Cinemathek ist eine 15 DVDs umfassende „Western-Edition“. Neben bekannten Klassikern enthält sie auch DVD-Premieren versteckter Perlen der Filmgeschichte. Herbert Spaich stellt die „Western-Edition“ vor.
15 Western in einer Cassette: die Auswahl zeigt, dass sie von Kennern des Genres stammt. Eröffnet wird die Edition mit einem der schönsten Western der Filmgeschichte: „My darling Clementine/Faustrecht der Prärie“ von John Ford aus dem Jahr 1946. Die Geschichte von Wyatt Earp, der sich mit den Clantons anlegt, die die Gegend terrorisieren und seinen Bruder auf dem Gewissen haben. Ein melancholischer Henry Fonda spielt die Titelrolle.
Einsam versucht Wyatt Earp in einem aussichtslos anmutenden Feldzug dem Guten zu seinem Recht zu verhelfen und das Gleich-gewicht der Kräfte wieder her zustellen. Mit „My Darling Clementine“ schuf John Ford eine stilbildende Grundkonstellation, die bis heute – nicht nur im Western – nachhaltige Auswirkung auf den amerikanischen Film und das Selbstverständnis seiner Helden hat: Der gute Amerikaner ficht für eine bessere Welt: so lange bis Sergio Leone dann in „Spiel mir das Lied vom Tod“ den heren Helden Fonda zu einem kaltblütigen Killer machte und den Mythos zerflückte…
Wobei „der gute Amerikaner“ schon bei John Ford immer auch eine gebrochene Persönlichkeit, ein Mann mit Vergangenheit; der durchaus nicht selbstlos in den Kampf zieht. Wyatt Earp hat mit Clanton in erster Linie eine persönliche Rechnung zu begleichen.
Während sich die Bewohner von Tompstone feige vor einer direkten Konfrontation mit Clanton-Clan drückt, findet Earp allein in dem kranken Alkoholiker Doc Holiday (Viktor Mature) einen Helfer, der ihm beim legendären Showdown am O.K. Coral zur Seite steht.
Der Fight am O.K. Coral ist eine der zahllosen Western-Mythen die dutzendfach verfilmt wurden. Bei „My Darling Clementine“ nimmt Ford das Historische Ereignis zum Anlass, um über die Gegenwart zu reflektieren. Die Zeit nach dem Zweitem Weltkrieg, als eine Generation entwurzelter junger Männer traumatisiert von den Schlachtfeldern Europas zurück gekehrt sind und zu Hause weitgehend auf Unverständnis stießen.
Noch mehr als John Fords Film ist „Red River“ von Howard Hawks in der Gegenwart gegen Ende der 1940er Jahre verankert. In seinem 1948 gedrehten epischen Western geht es um einen Vater-Sohn-Konflikt. Der Rancher Thomas Dunson hat nicht nur klare Vorstellung von Recht und Ordnung. In diesem Weltbild hat sein erwachsener Pflegesohn Matt in erster Linie zu parieren.
Bei einem Rinder-Trail über den Red River nach Missouri wird der Konflikt dem autoritären Alten und seinem Sohn offenbar, der nicht länger bereit ist die väterlichen Repressionen widerspruchslos hinzunehmen, seinen totalitären Anspruch, Herr über Leben und Tod zu sein.
Die finale Schlägerei zwischen Vater und Sohn in „Red River“ hat Filmgeschichte gemacht. An der Besetzung der Rollen machte Hawks deutlich, das sich im amerikanischen Film ein Generationswechsel abzeichnete: den Vater spielt John Wayne, seinen Sohn Montgomery Clift, der mit der Rolle des Matt bekannt geworden ist. „Red River“ ist in jeder Beziehung ein typischer Howard Hawks Film. Wie immer bei ihm, bringt eine resolute Powerfrau eine spätpubertierende Männergesellschaft zur Raison.
Ein weiteres Meisterwerk von Howard Hawks ist der Western „The big sky/Der weite Himmel“ von 1952. Mit Kirk Douglas in der Hauptrolle. Das nicht nur filmisch, sondern auch inhaltlich bedeut-same Werk ist ebenfalls in der „Western-Edition“ der SZ-Cinemathek enthalten. Hawks war mit „The big sky“ einer der ersten amerikanischen Filmemachern, der den Indianern Gerechtigkeit wiederfahren ließ. Über 20 Jahre später drehte John Ford 1964 „Cheyenne“ eine späte Wiedergutmachung an den amerikanischen Ureinwohnern. Auch das ein großartiger Film – in dieser Western-Edition.
Neben der Auseinandersetzung zwischen Siedlern und Indianern, gehört der Konflikt des Einzelnen mit der gesellschaftlichen Ordnung zu einem festen Bestandteil der Themenpalette des Westerns. Die SZ-Edition enthält dazu eine Reihe von Filmen, die zwar in jeder Filmgeschichte verzeichnet sind, aber inzwischen kaum noch zu sehen waren. So „Colorado Terrtory/Vogelfrei“, den Raoul Walsh 1949 gedreht hat.
Joel McCrea verkörpert Wes, der bereits mehrfach mit dem Gesetz in Konflikt geraten ist. Trotz großer Mühe gelingt es ihm nicht, die Schatten der Vergangenheit abzuschütteln. Ein kompromissloser, düsterer Film, der den Film Noir der 1940er Jahren in den Western-Topos übertragen hat. Das Leben und Sterben des Gangsters Jesse James ist mehrfach verfilmt worden. Eine der interessantesten Versionen präsentiert die „Western-Edition“ der Süddeutschen Zeitung als DVD-Premiere: „The true Story of Jesse James/Rächer der Enterbten“ – 1957 von Nicholas Ray gedreht. Ein Western im Stil von „…denn sie wissen nicht, was sie tun“: Frank und Jesse James sind bei Ray Halbstarke – gespielt von Robert Wagner und Jeffrey Hunter.
Schließlich: Sein oder Nichtsein in einer gewalttätigen Welt: King Vidor hat darüber 1955 „Man without a star/Mit stahlharter Faust“ gedreht. Ebenfalls ein Film, der weit über das Genre des Western hinausreicht. In der Hauptrolle Kirk Douglas: Der von ihm verkörperte Cowboy Dempsey lässt sich mit besten Absichten von einem Rancher anstellen. Unversehens gerät er dann aber in ein Netz der Intrigen, der Unterdrückung und Ausbeutung.
Obwohl nur noch Filmhistorikern ein Begriff, hat King Vidor mit „Man without a star“ die weitere Entwicklung des Western wesentlich beeinflusst. Vor allem den Italowestern. Die Eröffnungssequenz wurde zum Beispiel von Sergio Leone bei „Spiel mir das Lied vom Tod“ zitiert. Eine DVD-Premiere in der „Western-Edition“ der SZ-Cinemathek.
Außerdem in der Reihe Filme von Clint Eastwood, John Sturges, Sam Peckinpah und Budd Boetticher. Eine Edition zum Schwelgen. Preis pro DVD 9.90 €. Komplett mit allen 15 Discs 103 €.