Erst seit Kurzem ist der Werbefilm als eigenständiges Genre mit einer eigenen Filmgeschichte „entdeckt“ worden – als spannender Reflex der Alltagskultur des 20. Jahrhunderts. Bei Tacker-Film ist jetzt eine fünfteilige DVD-Edition „Werbefilm-Klassiker“ erschienen. Bei Absolut Medien eine DVD mit Arbeiten des Werbefilmpioniers Julius Pinschewer.
„Tanz der Flaschen“ drehte er 1912 für „Maggi. Eines der frühesten Beispiele für Werbung im deutschen Film: produziert von Julius Pinschewer. Er lebte von 1883 bis 1961 und gilt als der Vater des deutschen Werbefilms. Humanistisch gebildet und mit einem volkswirtschaftlichen Studium gerüstet, begann Pischewer 1909 in Berlin, Reklame im Kino zu einem eigenen Geschäftszweig zu machen.
In „Sektzauber“ – ebenfalls 1912 – soll ein kleiner Teufel zum Kauf von Kupferberg-Sekt verführen. Bei seinen Filmen benutzt Pinschewer schon damals sämtliche Stilmittel des Films – von der Animation zum Dokumentarischen. 700 Filme hat er im Laufe seines Lebens produziert. Eine überschaubare Auswahl gibt es auf einer DVD von Absolut Medien unter dem Titel „Klassiker des Werbefilms“ – Herausgegeben von Martin Loiperdinger.
In den 1920er Jahren arbeiteten Lotte Reiniger, Oscar Fischinger und Walter Ruttmann für Julius Pinschewer. Mit Ruttmann drehte er 1922 „Das Wunder. Ein Film in Farben“ um für einen Likör zu werben und „Die Barcarole“ mit Lotte Reiniger, der Appetit auf Pralinen machen sollte.
Daraus entstanden Perlen des Experimentalfilms und der Film-geschichte ganz allgemein. Kreativ wie er war, bedeutete der Tonfilm für den Werbefilm-Pionier kein Hindernis, sondern ein neue Herausforderung. Für die Bayer AG drehte Pinschewer 1932 eine spanische Version seiner Aspirin-Werbung.
1933 war Julius Pinschewer einer der erfolgreichste Werbefilm-Produzent Europas. Als genauer Kenner der Verhältnisse, machte er sich keine Illusionen, was ihn als Juden nach einem Wahlsieg der NSDAP erwartete. Bereits frühzeitig übersiedelte er mit seiner Familie und seiner Firma in die Schweiz. Im September 1934 gründete er das Pinschewer Film-Atelier in Bern. Martin Loiperdinger schreibt dazu in seinem höchst informativen Booklet zur Pinschewer-DVD:
„Der Zeichentrickfilm war in der Schweiz noch eine Marktlücke, die Julius Pinschewer ausfüllen durfte, ohne den einheimischen Filmfirmen ins Gehege zu kommen. Da der Vertrieb von Werbefilmen in der Schweiz fest aufgeteilt war, musste sich der Neuankömmling jedoch auf die Produktion von Zeichentrickfilmen beschränken“.
Obwohl sich Pinschewer mit der weiteren Konzentration auf Farb-filme eine weitere Marktlücke erschloss, war das teuer und mit hohem Aufwand verbunden. Er etablierte sich. 1939 drehte er zum Beispiel den Offiziellen Werbefilm für die „Schweizer Landesausstellung“ in Luzern in Technicolor mit fröhlichen Gemsen und emsigen Sennen – „Schweizer Sinfonie“ war der Titel.
Ab 1948 war Julius Pinschewer Schweizer Staatsbürger. In dieser Zeit machte sich sein einstiger Schüler und zeitweiliger Konkurrent auf dem Werbefilm-Markt Hans Fischerkoesen daran, in Westdeut-schland das Wirtschaftswunder zu begleiten. Auf fünf DVDs der „Edition Werbeklassiker“ von Tackerfilm geben nicht nur die stilbildenen Arbeiten Fischerkoesens, sondern von ihm wesentlich beinflusst Werbefilme anderer Firmen einen spannenden Einblick in die Allltagskultur in den 1950er und 1960er Jahren. Nach der Katastrophe können wir uns wieder was leisten:
„Mahlzeit –Lebensmittel im Werbefilm“. Bei dieser Edition werden die einzelnen Beispiele aus der Geschichte des Werbefilms im Rahmen von Features von Wolfgang Dresler in einen zeit-und kulturgeschichtlichen Zusammenhang gestellt. Das ist höchst verdienstvoll, zumal das Ganze angenehm zurückhaltend kommentiert wird. Da gibt es „Hauptrolle: Hausfrau“. Frauen waren zwischen 1950 und 1965 ohnehin die Zielgruppe des Werbefilms. Nicht nur wenn es um angebliche oder tatsächliche Erleichterungen in Haus und Hof ging: „Spieglein, Spieglein. Schönheitsideale im Werbefilm.
Nicht die Körperpflege und die Waschmaschine erleichtern das Leben in der deutschen Nachkriegszeit. Denn: es soll im neuen Heim ja nicht nur schnöde sauber, sondern wirklich „rein“ sein. Die Werbung verspricht „Blitzblank & Sauber“.
Der Glanz von Innen und Außen, das gute Essen, dies und das: alles will bezahlt sein. Auch in der freien Marktwirtschaft. Anregungen dazu auf der DVD „Taler, Taler…Das liebe Geld und der Werbefilm“.
Schließlich darf im Angebot der Werbeklassiker nicht die Ikone des deutschen Nachkriegswerbefilms fehlen: Das „HB-Männchen“.
Der Staubsauger macht sich selbständig, das Telefon klingelt zur Unzeit, mit der neuen Bohrmaschine wird die Wasserleitung angebohrt – die geordnete deutsche Nachkriegswelt versinkt im Chaos. Immerhin war es dem gestressten modernen Mann Bruno zwischen 1957 und 1984 wenigstens erlaubt, seine Zigarette „frohen Herzens“ zu genießen. Insgesamt 222 Episoden hat sich Roland Töpfer für das HB-Männchen ausgedacht, die alle am Ende beruhigten: „Aber, wer wird den gleich in die Luft gehen!?“
Sämtliche Folgen gibt es jetzt auf der DVD „Das HB-Männchen und seine Abenteuer“ in der Edition Werbe-Klassiker“ von Tacker Film. Im Bonus-Teil ein ausführliches Interview mit Roland Töpfer, einem der kreativsten deutschen Trickfilmern nach dem Zweiten Weltkrieg. Wie keine zweite Schöpfung des westdeutschen Werbefilms in den 1950er und 1960er verkörperte Bruno, das HB-Männchen, den Geist der neuen Wirtschaftswunderzeit.
Also eine Edition zum wahren Leben: „Das HB-Männchen und seine Abenteuer“ auf der Solo-Disc und die fünf DVDs „Werbeklassiker“ von Tacker Film mit Extras und einem Booklett. Liebevoll in einer Box verpackt, die einem Fernseher aus den 50er nachempfunden ist. Eine Sammleredition zum Friedens-Preis von 59.50 Euro. Die 222 HB-Männchen-Folgen kosten €19.90; die Julius Pinschewer-DVD von Absolut Medien rund 20 Euro.
lukas werbefilm
grandiose edition! ich vermisse nicht einen der großen klassiker!
Christian Borrmann
sehr geehrte damen uns herren,
beim „durchzappen“ mit dem neuen tv-gerät fand ich einen beitrag zu den werbeklassikern.
ich fand „die fünf DVDs „Werbeklassiker“ zum Friedens-Preis von 59.50 Euro“, fand jedoch nicht die möglichkeit die sammlung zu erwerben.
bitte geben sie mir die möglichkeit die 5 werbeklassiker bei ihnen zu kaufen.
freundliche grüße aus berlin
christian borrmann