Lange galt der Krieg auf der Leinwand als schlimmste Katastrophe. Als scheinbar abgeschlossenes Kapitel mit dem Appell: Nie wieder! So 1929 die Adaption von Remarques „Im Westen nichts Neues“. Erst 1936 wagten es Hollywood-Produzenten mit „San Francisco“ eine Naturkatastrophe filmisch darzustellen. Auch das mit historischem Hintergrund: das Erdbeben von 1906, bei dem San Francisco zu großen Teilen zerstört wurde. Im Film wurde der Schrecken von Jeanette MacDonald („San Francisco“) musikalisch abgefedert.
Im August 1945 bekam Krieg ein neue Dimension: durch die Zündung der amerikanischen Atombomben über Hiroshima und Nagasaki. Innerhalb von Sekunden hörten beide Städte auf zu existieren. 300 000 Menschen starben. Knapp zehn Jahre später experimentierten die USA im Pazifik mit noch gewaltigeren Atombomben. Japan protestierte vergeblich.
Vor diesem Hintergrund hatte Ende 1954 mit „Godzilla“ des japanischen Regisseurs Ishiro Honda ein Film Premiere, mit dem ein neues Genre auf den Weg gebracht wurde: der Katastrophenfilm. Durch die nuklearen Experimente der Amerikaner wird vor der Küste Japans ein urzeitliches Monster zum Leben erweckt. Es kommt an Land und richtet eine Schneise der Verwüstung an. Erst nachdem nicht mehr viel zu retten ist, gelingt es Wissenschaft-lern in einer konzertierten Aktion, Godzilla zu vertreiben.
Doch nur vorübergehend: Bis Ende der 1960er Jahre wird das Monster 18 mal auf die Leinwand zurück kommen und in unterschiedlichen Konstellationen japanische Großstädte zertrümmern. Trotz der für heutige Verhältnisse putzig anmutender Tricktechnik liegt auf der Hand, wen bzw. was Godzilla und Co. verkörpern sollten: die kaum zu bändigende Atomenergie.
Im Westen kamen die japanischen „Godzilla“-Filme zwar mit be-trächtlichen Erfolg in die Kinos, Produzenten in Amerika und Europa hatten aber lange Berührungsängste mit dem Genre Katastrophen-Film: Erst 1974 ließ Universal in „Erdbeben“ einer entfesselten Natur freien Lauf. Dazu wurde sogar ein eigenes Tonsystem erfunden: „Sonsurround“, das den Putz von den Decken der Kinos fallen ließ. Deshalb wurde nach wenigen Produktionen von weiterer Verwendung Abstand genommen.
Der erste Film, der sich dezidiert mit einer nuklearen Katastrophe beschäftigte war 1979 „Das China-Syndrom“ von James Bridges: es geht um einen Störfall in einem amerikanischen Kernkraftwerk, der sich nur in letzter Minute vor dem Gau beheben lässt.
In Japan ging es medial zu diesem Zeitpunkt bereits um mehr als nur einen atomaren Störfall: 1973 hatte der Schriftsteller Sayko Komatsu den späteren Bestseller „Nihon Chinbotsu/Der Untergang Japans“ veröffentlicht: Populärwissenschaftlich unterfüttert beschreibt er realistisch, wie die geologisch instabilen Verhältnisse dazu führen können, das Japan komplett im Meer versinkt. Die Kernkraftwerke spielen dabei nur eine marginale Rolle. Wesentlicher ist, dass die politisch Verantwortlichen, die die Gefahr für das Land und die Menschen bagatellisieren. Der „Untergang Japans“ ist mehrfach, zuletzt 2006 von Shinji Higuchi verfilmt worden.
Endzeitstimmung im Angesicht einer Apokalypse ist ein ständig wieder kehrendes Motiv in allen Genres des japanischen Films. Einer der das besonders gnadenlos vorführt ist Takashi Miike – im Horrorfilm ebenso wie im Yakuza-Melodram oder in einem Fantasy-film wie „Krieg der Dämonen“ von 2005. Hier ist es ein Kind das Japan retten muss. Was ihm nur mit knapper Not gelingt.
Wenig Hoffnung auf Morgen machen ohnehin die meisten Animes, die japanische Spielart des Zeichentrickfilms. Auch hier: Kinder mit großen staunenden Knopfaugen haben die Sünden der Eltern auszugleichen:
Zum Beispiel in einem Klassiker dieses Genres: Isao Takahatas „Die letzten Glühwürmchen“. Der Film illustriert aus der Kinderperspektive das Bombardement Hiroshimas. Erschütternder lässt sich eine Katastrophe nicht beschreiben. Da gegen wirken euro-päische Katastrophenfilme von der deutschen „Wolke“ nach Gudrun Pausewang bis zu Danny Boyles Endzeitvision „28 days later“ harmlos und irgendwie ahnungslos.
Film und Wirklichkeit bilden in Japan nicht erst seit gestern eine Symbiose!
P. S. Jörg Buttgereit hat mit „Die Monsterinsel“ ein Buch zu sämtlichen Godzilla-Filmen im Martin Schmitz Verlag veröffentlicht.