Frankreich 2009 – Regie: Philippe Lioret, mit Vincent Lindon, Firat Ayverdi
Eigentlich ist über das meist unerfreuliche Schicksal von Flüchtlingen, die in Europa aus politischen oder wirtschaftlichen Gründen eine neue Heimat suchen, auch filmisch alles gesagt. Meint man. Philippe Lioret („Die Frau des Leuchtturmwärters“) liefert mit „Welcome“ dazu eine neue, außergewöhnliche Variation. Der junge Kurde Bilal (Firat Ayverdi) will aus dem Irak zu seiner Freundin nach England. Bis Calais verläuft seine Reise Dank eines funktionierenden Schlepper-Netzwerks reibungslos. Dann scheitert die letzte Etappe an seiner menschlichen Unzulänglichkeit. Er kommt als Illegaler in ein Flüchtlingslager. Als durchtrainierter Sportler macht sich Bilal Hoffnung, England als Schwimmer durch Ärmelkanal zu erreichen. Er ist zwar als Fußballer ein As, mit dem Kraulen hapert es aber. Im örtlichen Hallenbad bittet der Junge deshalb Bademeister Simon um Nachhilfe. Daraus entwickelt Philippe Lioret in „Welcome“ eine erstaunliche Beziehungsgeschichte, bei der es in erster Linie um die Grenzen und Möglichkeiten der persönlichen Hilfe für Menschen in Not geht. Das hat man so noch nie gesehen! Zwar weiß Simon als ehemaliger Leistungsschwimmer um die Risiken einer Kanaldurchschwimmung, aber er trainiert Bilal und verschafft ihm das notwenige Equipment. Nüchtern schildert der Regisseur ein erzieherisches Dilemma. Einerseits will und darf Simon den Elan des jungen Mannes nicht durch altväterliche Vorbehalte bremsen, andererseits weiß er um seine Verantwortung.
Klug und unaufdringlich in der dramaturgischen Form begleitet Philippe Lioret Bilal und Simon. Dabei zeigt er über die das Vater-Sohn-Verhältnis hinaus unmissverständlich die katastrophalen Folgen der brutal-restriktiven Asylpolitik in Europa. „Welcome“ ist ein anrührender, politisch enorm wichtiger Film. Wobei angenommen werden darf, dass er von denjenigen, die er angeht, nicht angesehen wird. Immerhin ist „Welcome“ einer der großen Favoriten bei der Verleihung der „Cesars“ in diesem Jahr!