Frankreich 2010
Originaltitel: Des hommes et des dieux
Regie: Xavier Beauvoir
Mit Lambert Wilson
Kinostart: 9. Dezember 2010
Im Frühjahr 1996 wurden in Algerien sieben französische Mönche ermordet. Das Verbrechen ist bis heute nicht aufgeklärt. Dass es sich bei den Tätern um radikal-islamische Rebellen handelt, ist mit den Jahren immer zweifelhafter geworden. Sowohl der algerische wie der französische Geheimdienst sind inzwischen in Verdacht geraten. Der bei den Filmfestspielen von Cannes dieses Jahr mit dem „Großen Preis der Jury“ ausgezeichnete Film „Des hommes et des dieux/Von Menschen und Göttern“ von Xavier Beauvois hat in Frankreich in den letzten Monaten die Affäre um die Ermordung der Mönche von Tibhirne erneut ins öffentliche Interesse gerückt, Ministerpräsident Nicolas Sarkozy eine erneute Untersuchung angeordnet.
Anfang der 1990er Jahre geht das Leben der französischen Mönche des Trappisten Klosters Tibhirine in einer entlegenen Gebirgsregion Algeriens seinen gewohnten Gang. Sie leben ihren Glauben nach den strengen Regeln ihres Ordens. Dazu gehört auch die Praxis des Teilens „mit den Armen und der Fremden“. Sie sind sich bewusst, Fremde im Land zu sein. Entsprechend sensibel pflegen die christlichen Mönche den Kontaktmit den islamischen Bewohnern der umliegenden Dörfer. Abt Christian ist nicht nur bibelfest, sondern korankundig.
Ende 1993 erreicht die innenpolitische Krise in Algerien auch Tibhirine: die bewaffnete Auseinandersetzung zwischen der Regierung und radikal islamischen Gruppen: ein Kommando der fundamentalistische „Groupes islamique Armés“ (GIA) hat wenige Kilometer vom Kloster entfernt 14 kroatische Bauarbeiter ermordet.
Weihnachten 1996 erscheint zum ersten Mal ein GIA-Kommando im Kloster Tibhirine und fordert von den Mönchen Geld, Medikamente und medizinische Hilfe. Abt Christian lehnt materielle Hilfe zwar ab, erklärt sich aber bereit, jeden verletzten Rebellen im Hospiz des Klosters zu behandeln.
Die Haltung der Mönche ist sowohl der algerischen, als auch der französischen Regierung ein Dorn im Auge. Sie stehen mit ihrem humanitären Engagement im Widerspruch zur harten Linie der Politiker gegenüber den Rebellen. Den Mönchen wird dringend geraten, Tibhirine zu verlassen. Auf Grund ihrer religiösen Überzeugung treffen die Mönche gemeinsam die Entscheidung zu bleiben.
In der Nacht vom 27. auf 28. März 1996 werden sieben Mönche aus Tibhirine entführt und ermordet. Die Umstände ihres Todes und die Identität der Täter sind bis heute ungeklärt.
Betont nüchtern hat Regisseur Xavier Beauvois in „Des hommes et des dieux/Von Menschen und Göttern“ die Ereignisse um das Kloster Tibhirine und seine Bewohner rekonstruiert und sich dabei jeglicher Spekulation über ihr Ende enthalten. Er rückte die Grundsatzfrage von Flüchten oder Standhalten in den Mittelpunkt seines Films: Humanismus und Toleranz contra weltanschaulich-politischer Gegensätze. Die Auseinandersetzungen mit dem islamischen Funda-mentalismus in Algerien und anderen Ländern des Nahen Ostens gegen Ende des 20. Jahrhunderts haben die globalen Konflikte von heute voraus genommen. So weist Xavier Beauvois mit seinem Film in die Gegenwart. Das macht „Von Menschen und Göttern“ zu einem politisch eminent wichtigen Film, der auch formal in jedem Moment überzeugt!
„Ich kenne die Verachtung, mit der man auf die Algerier pauschal herabblickt. Ich kenne auch die Karikaturen des Islam, die ein gewisser islamischer Fundamentalismus hervorgerufen hat. Man macht es sich viel zu leicht, wenn man den religiösen Weg des Islam mit dem Fundamentalismus der Extremisten gleichsetzt. Algerien und der Islam, das ist für mich etwas ganz anderes: das ist Leib und Seele. Ich habe es zur Genüge beteuert, glaube ich, im Hinblick auf alles, was ich erhalten habe – so oft habe ich darin den Leitgedanken des Evangeliums wiedergefunden, das ich damals auf dem Schoß meiner Mutter, meiner allersten Kirche, gelernt habe, und zwar genau hier in Algerien und damals schon in großem Respekt vor den mulimischen Gläubigen.“
Ein Ausschnitt aus dem „Testament des Christian von Chergé“, dem Prior von Tibhirine. Geschrieben kurz vor seiner Entführung und Ermordung. Zusammen mit anderen Texten ist es jetzt im Verlag Neue Stadt erschienen: „Den Brunnen tiefer graben – Meditieren mit Christian de Chergé“ Herausgegeben von Christian Salenson. Ergänzend dazu hat derselbe Verlag „Die Mönche von Tibhirene – Die algerischen Glaubenszeugen – Hintergründe und Hoffnungen“ veröffentlicht. Aus christlich-katholischer Perspektive gibt der Autor Iso Baumer einen Einblick in das Selbstverständnis der Mönche in der algerischen Diaspora. Ihr Bemühen um einen fruchtbaren islamisch-christlichen Dialog. Dem ist auch Baumer verpflichtet. Das macht sein Buch zu einer angenehmen, wie informativen Lektüre – und den Film „Von Menschen und Göttern“ bestens ergänzt.
Außerdem äußerst hörenswert der Soundtrack des Films. Auf CD gibt es ihn von Why not/Armada films (BEC5772709 (WNP004).