Confidences trop intimes
Belgien/Frankreich/Deutschland 2009
Regie: Sam Garbarski
Mit Pascal Greggory, Leo Legrand, Alexandra Maria Lara
Thomas ist ein Mann in mittleren Jahren: der berufliche Erfolg lässt zu wünschen übrig, seine Ehe ist auch nicht mehr das, was sie einmal war, die pubertierenden Kinder nerven. Da geschieht Thomas ein Mißgeschick: Auf einer Geschäftsreise steigt er in einen falschen Zug, der ausgerechnet in seinen Heimatort fährt, den er vor Jahrzehnten verlassen hat und den er eigentlich nie wieder betreten wollte. Den Zwangsaufenthalt bis zur Rückfahrt nutzt Thomas dann doch, um einen Spaziergang durch den inzwischen veränderten Ort seiner Kindheit zu machen. Er trifft sogar einen ehemaligen Schulfreund. Dabei erwachen wieder Thomas Kindheitstraumata. Das plötzliche Verschwinden des Vaters. Eine familiäre Katastrophe, an der die Mutter kurz darauf zerbrochen ist.
Pflichtschuldig besucht Thomas das Grab seiner Mutter auf dem Friedhof. Die Vergangenheit ist plötzlich übermächtig präsent. Der Sohn trauert immer noch um die Mutter. Noch mehr belastet ihn das Verschwinden des Vaters, in einer Mischung aus tiefer Verletzung und Schuldgefühl. Da geschieht ein Wunder. Thomas macht eine Zeitreise: Er findet sich als 14jähriger in der eigenen Vergangenheit wieder. Mit der Lebenserfahrung des Erwachsenen könnte es vielleicht gelingen, Antworten auf die offenen Fragen seiner Kindheit zu bekommen…
Als Vorlage für den Film „Vertraute Fremde“ diente Regisseur Sam Garbarski das gleichnamige Manga von Jiro Taniguchi, einem Klassiker des Genres. Gewagt transportierte Garbarski die Geschichte einer Vater-Suche aus Japan nach Frankreich, vom Comic in den Realfilm. Dabei ist es ihm erstaunlich gut gelungen, eine fragile Atmosphäre zwischen Realem und Irrealem zu schaffen. Etwas, das den besonderen Reiz der japanischen Mangas ausmacht. Insbesondere der Arbeiten von Jiro Taniguchi. Der berühmte Autor wurde wesentlich von dem japanischen Filmemacher Yasujiro Ozu beeinflusst. Auf dessen unvergleichliche Poesie des Alltags sich auch Sam Garbarski bei seiner Adaption von „Vertraute Fremde“ bezieht. So schließt sich der Kreis: Ebenso am Ende von Buch und Film für Thomas. Er wird mit seiner Vatersuche zwar erfolglos bleiben, auf dem Weg zu sich selbst aber einen wesentlichen Schritt voran kommen. Nach seinen Erfolgen „Der Tango der Rashevskis“ und „Irina Palm“ gelang Garbarski mit „Vertraute Fremde“ wieder ein großer Film über das, was man Verantwortung nennt – sich selbst und den Anderen gegenüber.
Die deutsche Übersetzung von Jiro Taniguchis „Vertraute Fremde“ ist in der Reihe „graphic novel“ des Carlsen Verlags erschienen. Preis: 19.90€
Interview mit dem Regisseur Sam Garbarski
SWRcont.ra Film, 23.05.2010, 18.45 Uhr
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