USA/Schweden 2011
Regie: David Fincher
Mit Daniel Craig, Rooney Mara, Christopher Pummer, Stellan Skarsgard
Kinostart: 12. Januar 2012
Seit geraumer Zeit ist nicht zu übersehen, dass sich der amerikanische Film gerne von Europa inspirieren lässt. Dass ungeniert Kino-Erfolge aus der „Alten Welt“ mit mehr oder weniger großem Erfolg neu verfilmen. Es war also nur eine Frage der Zeit, bis sich Hollywood einem der erfolgreichsten europäischen Bestseller der letzten Jahre zu wenden würde: der postum erschienenen „Milenium“-Trilogie des schwedischen Journalisten Stieg Larson. Die Verfilmung war als schwedisch-deutsche Koproduktion 2009 auch in Kino und Fernsehen ein großer Erfolg. Diese Woche startet das Remake des ersten Teils, „Verblendung“, in den deutschen Kinos. Regie führte mit David Fincher einer der originellsten Filmemacher aus Übersee, der sich mit Filmen wie „Sieben“, „Fight Club“ und zuletzt mit „ The social Network“ einen Namen gemacht hat. Seine Affinität zum düsteren „Millenium“-Stoff Larsons leuchtet ein. Das lässt sich bei den wenigsten amerikanischen Remakes europäischer Stoffe sagen.
Weil er einem Informanten gegenüber zu leichtgläubig war, ist der Wirtschaftsjournalist Mikael Blomkvist (Daniel Craig) wegen Verleumdung zu einer Gefängnisstrafe verurteilt worden. Um seinen lädierten Ruf wieder herzustellen, kommt ein Angebot gerade recht, das ihm der Industrielle Henrik Vanger (Christopher Plummer) macht. Blomquist soll unter dem Vorwand Vangers Memoiren zu schreiben, nach dem rätselhaften Verschwinden von Harriet forschen, einer Verwandten Vangers. Das Ganze liegt freilich 40 Jahre zurück.
Nicht nur der Auftrag scheint seltsam, sondern auch die junge Punkerin, die zufällig Blomkvists Wege kreuzt und mehr über ihn weiß, als ihm lieb sein kann. Sie heißt Lisbeth Salander ( Rooney Mara) und wird von Stieg Larsen in seinem Roman „Verblendung“ so vorstellt: „Sie sah aus, als wäre sie gerade nach einer einwöchigen Orgie mit einer Hardrockgang aufgewacht“….
Der äußere Anschein trügt, Lisbeth ist eine exzellente IT-Expertin, die sich problemlos in alle Netzwerke dieser Welt einhacken kann. Ohne ihre Hilfe wäre Blomkvist bald am Ende seines Lateins als Rechereur. Im Gegensatz zu seinem Auftraggeber Henrik Vanger ist der Rest des mehr oder weniger verfeindeten Familienclans der Vanger wenig begeistert über sein Interesse an der verschwundenen Harriet.
Bei seiner Neuverfilmung von Stieg Larsons „Verblendung“ hat sich David Fincher weitgehend am Handlungsgerüst seines dänischen Kollegen Niels Arden Oplev orientiert, mit seiner radikalen Straffung der bisweilen uferlosen literarischen Vorlage. Allerdings interessierten sich Fincher und sein Drehbuchautor Steven Zaillian wesentlich mehr für das, was der Originaltitel von Larsens Buch andeutet: „Männer, die Frauen hassen“. Deshalb steht Lisbeth Salander auch im Fokus des Films und nicht Blomkvist, der von Daniel Craig betont zurückgenommen verkörpert wird.
Salander schlägt in einer frauenverachtenden Gesellschaft als Kickboxerin nicht nur im wahrsten Sinne des Wortes zurück. Ihrer Rigorosität ist es zu verdanken, dass der Serienkiller, der es seit Jahrzehnten auf Frauen abgesehen hat, schließlich überführt wird. Die Dominanz von Lisbeth Salander in „The girl with dragon tattoo“ – so der amerikanische Originaltitel von David Finchers Neuverfilmung wird durch die enorme darstellerische Leistung der Nachwuchsschauspielerin Rooney Mara unterstrichen, die Craig glatt an die Wand spielt. Sie sagt über ihre Rolle der Lisbeth Salander:
Das Leben hat sie hart gemacht und sie hat jetzt nichts mehr zu verlieren. Sie erledigt einen Job in dem Wissen, das sie jeder Zeit aussteigen kann. Das erweist sich aber als Trugschluss…
Nicht nur bei der Charakterisierung Lisbeth Salanders, sondern in jeder Beziehung hat David Finchers Version der „Verblendung“ mehr psychologische Tiefe und wesentlich mehr Eleganz bei der Wahl der dramaturgischen Mittel. Im Vergleich der beiden Fassungen ist nicht zu übersehen, dass es sich bei der Erstverfilmung in erster Linie um eine Auftragsarbeit des Fernsehens handelt. Finchers Film ist reinstes, feinstes Kino, das erst auf der großen Leinwand so recht zur Geltung kommt!