DDR 1966
Regie: Frank Beyer
Mit Manfred Krug
Hannes Balla ist zwar ein tüchtiger Zimmermann, aber am Aufbau und der Festigung einer sozialistischen Gemeinschaft hat er wenig Interesse. Deshalb kommt es zwischen ihm und SED-Parteisekretär Horrath – einem überzeugten Kommunisten – zu Konflikten. Aber auch Horrath ist nur ein schwacher Mensch: der ordentliche Familienvater fängt ein unordentliches Tet-á-tet mit der höchst attraktiven Ingenieurin Kati (Krystyna Stypulkowska) an, mit der auch Balla liebäugelt. Das Luderleben des Parteisekretärs fliegt auf. Er muss sich öffentlichen für seinen Seitensprung verantworten. Dabei bekommt er unerwartet moralischen und politischen Beistand durch seinen einstigen Rivalen Balla, der inzwischen eingesehen hat, das Eigennutz von Übel und die Gemeinschaft im real existierenden Sozialismus der DDR dagegen alles ist.
Der staatstragende Inhalt machte 1964 den Roman „Spur der Steine“ und seinen Autor Erik Neutsch zu Lieblingskindern der SED-Führung. Man wies die staatliche Defa-Filmproduktion an, für eine alsbaldige Verfilmung des Buches zu sorgen.
Wunschregisseur war Frank Beyer, der seine Linientreue in der Vergangenheit mit Filmen wie „Fünf Patronenhülsen“ über die internationalen Brigaden im Spanischen Bürgerkrieg oder der Adaption von Bruno Apitz’ antifaschistischem Roman „Nackt unter Wölfen“ bewiesen hatte.
Doch weder Beyer noch „Spur der Steine“-Autor Neutsch waren vom Auftrag, das Buch zu verfilmen, sonderlich begeistert. Hinter der sozialistischen Läuterungsgeschichte wollte der Roman nämlich vor allem den Alltag in der DDR darstellen. Diesen Zwischentönen war filmdramaturgisch nur schwer beizukommen.
Als fest angestelltem Defa-Regisseur blieb Frank Beyer nichts anderes übrig, als sich an die schwierige Arbeit zu machen. Auf der Basis einer langwierigen Drehbuchentwicklung war der Film „Spur der Steine“ schließlich fertig und konnte am 15. Juni 1966 im Rahmen der „8. Arbeiterfestspiele in Potsdam“ uraufgeführt werden: Mit großem Publikumserfolg. Frank Beyer hatte aus der sperrigen Romanvorlage mit Manfred Krug in der Rolle des widerspenstigen Hannes Balla eine kesse Satire auf die DDR-Bürokratie gemacht: Eine eher beiläufiger Moment der Handlung sollte die Zukunft des Films, seines Regisseurs und der Defa insgesamt entscheidend beeinflussen:
Von reichlich Bier beflügelt, gehen Balla und seine Männer in einem Anlagensee baden. Ein Volkspolizist, der dem Schabernack ein Ende machen will, wird despektierlich von Balla ins Wasser geholt.
Durch diese Szene sah das Zentralkomitee der SED, unter Vorsitz seines damaligen Sekretärs Erich Honecker die staatliche Ordnung in der DDR gefährdet und zog „Spur der Steine“ kurzerhand aus dem Verkehr.
Bei dieser Gelegenheit wurde gleich die gesamte Jahresproduktion der Defa unter die Lupe genommen: Dabei stellten die Genossen unerhörten Wildwuchs fest. Beim „11. Plenum des Zentralkomitees der SED“ ist Ende 1966 deshalb nicht nur ein Verbot von „Spur der Steine“ beschlossen, sondern alle so genannten „Gegenwartsfilme“ der letzten Zeit als „antisozialistisch“ aus den Kinos verbannt worden. Kulturminister Bentzien und Defa-Direktor Jochen Mückenberger mussten ihren Hut nehmen, Regisseur Frank Beyer versetzte man ans Stadttheater Dresden.
Es dauerte mehrere Jahre bis er wieder einen Film drehen durfte. Der Stein des Anstoßes blieb 23 Jahre unter Verschluss. Erst nach der „Wende“, bei den Berliner Filmfestspielen 1990, konnte mit „Spur der Steine“ eines der großen Meisterwerke des deutschen Films entdeckt werden!
Auf DVD ist „Spur der Steine“ in einer sehr schönen Edition bei Icestorm Entertainment erschienen. Im Bonusteil eine 60 Minuten-Dokumentation „Spur der Zeiten – Portrait Frank Beyer“ und der Mitschnitt eines Konzerts von Manfred Krug und den Jazzoptimisten aus dem Jahr 1964.
Die Autobiographie des 2006 gestorbenen Frank Beyer „Wenn der Wind sich dreht. Meine Filme, Mein Leben“ ist als List Taschenbuch zu haben.
SWR2 Zeitwort vom 15.6.2010
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