Thailand/Deutschland/Frankreich 2010
Originaltitel: Lung Boonmee raluek chat/Uncle Boonmee who can recall his past lives
Regie: Apichatpong Weerasethakul
Mit Thanapat Saisaymar, Jenijra Pongpas
Kinostart: 30. September 2010 (Movienet)
Seit geraumer Zeit sorgen junge Filmemacher aus Thailand für internationales Aufsehen. Einer der bekanntesten ist Apichatpong Weerasethakul. Mit „Blissfully yours“ (2002), „Tropical Malady“ (2004) und seiner Videoinstallation „primitive“ im Münchner Haus der Kunst, mit der er 2009 die Tsunami-Katastrophe thematisierte, wurde der vielseitige Künstler auch in Deutschland bekannt.
Sein neuer Film „Uncle Boonmee who can recall his past lives“ wurde mit der Goldenen Palme der diesjährigen Filmfestspiele von Cannes ausgezeichnet.
Boonmee ist ein Mann, der seine besten Jahre hinter sich hat. Er weiß, dass er unheilbar krank ist und nicht mehr lange leben wird. Deshalb zieht er sich in ein kleines Haus am Rande des Regenwaldes zurück. Hier will Boonmee in Ruhe den Tod erwarten. Lebens- und Krisenerfahren versucht er mit der Welt seinen persönlichen Frieden zu machen. Doch das fällt schwer. Das Gewicht der Schuld lastet auf ihm: als Soldat hat er getötet. Seine Familie ist zerbrochen. Die Geister der Vergangenheit lassen sich nicht mehr vertreiben. Sie kommen immer näher. Zu seiner großen Überraschung geht es ihnen aber nicht um Rache, sondern um Ausgleich. So bietet sich ihm seine verstorbene Frau als Begleiterin von der einen in die andere Welt an.
Mit ihrer Hilfe findet Boonmee auch seinen Sohn Tong wieder, mit dem er sich einst überworfen hat. Tong gibt sich seinen Eltern als guter Waldgeist mit rot leuchtenden Augen zu erkennen.
Seit Ingmar Bergman oder Carl Theodor Dreyer ist es keinem Regisseur ein derart komplexer Film über Tod und Sterben gelungen, wie Apichatpong Weerasethakul mit „Uncle Boonmee erinnert sich an seine früheren Leben“. Der 40jährige Regisseur ist praktizierender Buddhist und deshalb spielt Reinkarnation in seinem Werk eine wesentliche Rolle:
„Für mich ist Reinkarnation eng mit Film verbunden: die Imagination der Bilder lässt hier etwas Neues entstehen, das auf jeden Betrachter anders wirkt. Zum Anderen glaube ich, der Tod ist kein Ende, sondern das Leben beginnt, wie ein Film – der unterbrochen wurde – neu.“
So wie sich Weerasethakuls Film immer wieder neu erschließt. Dabei gelingt es dem Regisseur allein durch die Kraft seiner Bilder den Tod als Übergang zu erklären. Wobei er das Kino zu einem magischen Raum werden lässt, dessen visuelle Kraft dem Zuschauer bisweilen den Atem verschlägt. Gegenwart, Vergangenheit, Hoffnung, Glück und Leid gehen dabei eine untrennbare Verbindung ein:
„Das Thema ist die Grenze und das in jeder Beziehung: zwischen Leben und Tod, Stadt und Land, Mensch und Tier. Aber Grenzen sind durch-lässig. Ihre Perforation durch unsere Erfahrung interessiert mich sehr. Wenn Grenzen plötzlich nicht mehr greifbar sind.“
Neben der spirituellen hat „Onkel Boonmee“ auch eine konkret politische Dimension. Die Figur des sterbenden und um seine Wiedergeburt kämpfenden Boonmee symbolisiert auch Thailand als Land des Übergangs – mit einem Bürgerkrieg, der nie befriedet wurde – allein im Mai dieses Jahres starben bei Unruhen in Bangkok über 80 Menschen, 2000 wurden verletzt. Zur politischen Krise kommen die hemmungslose Ausbeutung der Natur und Umweltkatastrophen, die damit in direktem Zusammenhang stehen. Das alles verbindet sich in „Onkel Boonmee erinnert sich an seine früheren Leben“ zu einem makellosen Kunstwerk und weisen Apichatpong Weerasethakul als einen der wichtigsten Cineasten des gegenwärtigen Weltkinos aus.
Herbert Spaich hatte Gelegenheit zum (in Englisch geführten) Gespräch mit dem Regisseur:
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