Technik, Politik und Starkult zwischen 1936 und 1945
Von Friedemann Beyer,Gert Koshofer und Michael Krüger
288 Seiten mit 340 Abb., ISBN-13: 978-389910474-5
€58.-
Auch 65 Jahre nach dem Ende des NS-Regimes, tun wir uns schwer mit dem „Filmeerbe“ aus der Konkursmasse des „Dritten Reichs“ schwer. Nicht nur mit den Produktionen, die während des Zweiten Weltkriegs entstanden sind. Denn: Film war kalkulierter Teil eines mörderischen Systems – vom gefühlvollen Hans-Albers-Melodram bis zu Musikfilmen mit der stets quitschvergnügten Marika Röck. Eine Betrachtung und/oder Würdigung „wertfrei“ als Teil der Filmgeschichte ist deshalb nicht möglich. Die Folge: nur sehr zögerlich nähert sich die deutsche Filmwissenschaft dieser Periode, an der man sich leicht „die Finger verbrennen“ kann. Fundiertes ist selten. Wobei auch die Filme selbst – von prominenten Beispielen wie „Münchhausen“ einmal abgesehen – nur ausnahmsweise in angemessen aufbereiteten Editionen (auf DVD) zur allgemeinen Besichtigung zur Verfügung stehen. Da gibt es „Kraut-und Rüben“-Reihen wie „Deutsche Filmklassiker“ von Black Hill. Da wurde kommentarlos der besonders hinterhältige Propagandafilm „Wunschkonzert“ oder Veit Harlans „Goldene Stadt“ mit rührenden Heinz Rühmann-Schmonzetten in eine Reihe gestellt. Also ein weites Feld…
Einer dem der Spagat zwischen nüchterner Betrachtungsweise und der künstlerischen Würdigung im Kontext der Ideologie des Nationalsozialismus immer wieder gelingt, ist Friedemann Beyer, der sich mit Büchern über Peter Lorre und die Stars der Ufa einen Namen gemacht hat und bis 2007 Chef der Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung war.
In seinem neuen (zusammen mit Gert Koshofer und Michael Krüger geschriebenen) Buch „UFA in Farbe. Technik, Politik und Starkult zwischen 1936 und 1945“ beschäftigt er sich mit einem bisher kaum berührten Kapitel deutscher Filmgeschichte:
Im Mittelpunkt des exquisit ausgestatteten Bandes stehen die 13 abendfüllenden Farbfilme, die zu einem Zeitpunkt hergestellt wurden, als sich das Ende der NS-Herrschaft bereits abzuzeichnen begann. Die Autoren schreiben dazu in ihrem Vorwort:
„Die unbefangene, bloß ästhetische Rezeption dieses Buches ist daher nicht angebracht: Auch wenn die Entstehung dieser Filme in eine der dunkelsten Epochen der deutschen Geschichte fällt, so sollte doch nichts dagegen sprechen, sich mit ihnen zu beschäftigen – als beredte Zeugnisse unserer Technik-, Film- und Zeitgeschichte und als Beitrag zu einer Geschichte der Populärkultur in unserem Lande“.
Neben Grundsätzlichem zur Filmpolitik Joseph Goebbels und seinem Einfluss auf mehr oder wenige jede Produktion, die zwischen 1933 und 1945 im Deutschen Reich (die im Zweiten Weltkrieg zeitweise okkupierten Länder eingeschlossen) hergestellt wurde, zeigen die Autoren das enorme Engagement des Propaganda-Ministers, ein eigenes Farbfilm-System entwickeln zu lassen: Agfa-Color sollte ab 1939 auch auf dem Weltmarkt dem amerikanischen Technicolor Paroli bieten.
Von „Frauen sind doch bessere Diplomaten“, dem ersten deutschen Spielfilm in Farbe bis zu „Kolberg“ und den erst nach dem Krieg uraufgeführten Filmen, werden am konkreten Beispiel die Möglichkeiten und Grenzen von Agfacolor erklärt und der Umgang der Regisseure mit den neuen künstlerischen und technischen Herausforderungen.
Am Beispiel der Farbfilme Veit Harlans und seiner ästhetischen Konzeptionen (von „Die goldene Stadt“ zu „Kolberg“) zeigt sich das Fingerspitzengefühl der Autoren im Umgang mit diesem heiklen Kapitel der deutschen Filmgeschichte, für das es nach wie vor keine „Normalität“ geben kann.
„UFA in Farbe“ ist ein Meisterwerk deutscher Filmgeschichtsschreibung – und der Buchkunst. Bemerkenswert, dass sich die „Collection Rolf Heyne“ dieses Themas angenommen hat. Bisher finden sich in der Hochglanz-Reihe des Verlags vorwiegend Bild-bände zu allerlei Kulinarischen Freuden und anderen Annehmlichkeiten des Lebens. Da war es wohl an der Zeit, sich auch Ernsthafterem zuzuwenden. Das ist zu begrüßen!
Zum Problem des angemessenen wissenschaftlichen Umgang mit dem NS-Film ein Gespräch mit Friedemann Beyer:[media id=209 width=320 height=20]
Gert Koshofer
Eine kluge Rezension, die unserem Anliegen als Autoren gerecht wird. Wir sind der Collection Rolf Heyne sehr dankbar, dass sie es gewagt hat, unser Buch endlich als opulenten Band heraus zu bringen.