Großbritannien 2010
Regie: Paddy Considine
Mit Peter Mullan, Olivia Colman
Veröffentlichung: Februar 2012 (Kinokontrovers)
Der genaue Blick auf die menschlichen Verhältnisse am Rande einer von Rezession gezeichneten Gesellschaft gehört zu den Markenzeichen des britischen Films. Dabei geht es auch immer um psychologischen Feinheiten und die soziale Kompetenz von Menschen, die auf Grund der Umstände auf sich allein gestellt sind. Die Politik scheint sie vergessen zu haben. Doch dann gibt es Hoffnung – da wo sie am Wenigsten erwartet wird. In dieser Tradition hat der englische Schauspieler Paddy Considine ( „Das Bourne Ultimatum“, „Der Schrei der Eule“) sein Regie-Debut „Tyrannosaur“ angesiedelt, das jetzt auf DVD/BR erschienen ist.
Joseph (Peter Mullan) ist meistens wütend. Vor allem auf sich selbst, seinen Hund und die Welt ganz allgemein. Deshalb kann es vorkommen, dass er die Beherrschung verliert und auf alles ein-prügelt, was ihm in die Quere kommt: auf Jugendliche, die in seiner Stammkneipe zu laut sind oder auf seinen Hund, der ihn beim Saufen stört. Joseph tritt das Tier im Jähzorn gleicht in der ersten Minute von „Tyrannosaur“ tot: der Film fängt also mit einem Schock an – für den Zuschauer, aber auch für den Protagonisten. Er wollte das Tier nicht töten…
Mit dem sterbenden Tier im Arm, dämmert dem Berserker Joseph, das es so nicht weiter gehen kann. Als sich am nächsten Tag die von ihm geschlagenen Jugendlichen rächen, flüchtet er sich in den Second-hand-Laden von Hannah (Olivia Colman).
Sie scheint eine selbstlose Samariterin zu sein, die den vom Schicksal Geschlagenen zu trösten versucht. Sie wird im auch verzeihen, als Joseph sie beschimpft. Ihm ist ihre christliche Mildtätigkeit suspekt. Gleichzeitig spürt er, dass sie Seelenverwandte sind. Es dauert nicht lange, bis Joseph entdeckt, dass es das Schicksal auch mit Hannah nicht gut meint. Der Laden ist für sie Fluchtpunkt und Ruhepol in einem Leben an der Seite eines gewalttätigen und dabei hysterischen Ehemanns (Eddie Marsan), der unter Tränen bedauert, was er seiner Frau antut.
Hinter der gutbürgerlichen Fassade verbirgt sich ein Leben in ständiger Angst, vor einem krankhaft eifersüchtigen, besitzergrei-fenden Mann. Eines Tages flieht die schwer misshandelte Hannah zu Joseph und bleibt. Joseph und Hannah scheinen einen neuen gemeinsamen Weg aus ihren Miseren gefunden zu haben. Doch dann entdeckt Joseph Hannahs Geheimnis…
Der englische Schauspieler Paddy Considine hat mit „Tyrannosaur“ eine moderne Passionsgeschichte gedreht. Obwohl sein Film ein Panorama des Schreckens am Rand einer desolaten Gesellschaft ist, bleibt er daran nicht hängen. Großartig erzählt Considine auch von Barmherzigkeit und Erlösung. In seiner kraftvollen Inszenierung macht „Tyrannosaur“ Hoffnung und vermittelt die Gewissheit, wenn sich die Verhältnisse schon nicht ändern lassen, muss es eben der Mensch tun, um zu sich selbst zu finden. Peter Mullan und Olivia Colman sind für ihre Rollen mehrfach ausgezeichnet wurden. Unter dem Strich macht das „Tyrannosaur“ zu einem der besten Filme des letzten Jahres, der zu Unrecht im Kinoalltag untergegangen ist. Jetzt gibt es den Film in einer noblen Edition mit DVD und Blu-ray vom neuen Label „Kinokotrovers“. Im Extrateil unter Anderem ein Audiokommentar von Regisseur Paddy Considine, seinen Kurzfilm „Dog Altogether“, entfallene Szenen und ein bei geheftetes Booklet. Das Ganze kostet 17 Euro und ist auch ein Osterpräsent für Liebhaber exzellenter europäischer Filmkunst!