Norwegen 2008, Regie: Erik Poppe. Mit Pal Sverre Valheim Hagen, Ellen Dorrit Petersen, Trine Dyrholm, Trond Espen Seim
Thomas (Pal Sverre Valheim Hagen) – Mitte 20 – ist ein begnadeter Organist. Er fesselt mit seinem Spiel sogar eine Gruppe halbwüchsiger Schüler, die mit ihrer Lehrerin (Ellen Dorrit Petersen) die Kirche während des Religionsunterrichts besuchen. Thomas ist neu hier.
Vorher hat er eine mehrjährige Gefängnisstrafe abgesessen, weil er den Tod eines kleinen Jungen mitverschuldet hat. Eigentlich waren er und sein Kumpel nur auf Geld aus, als sie den Kleinen in seinem Buggy vor einem Café entführten. Die Mutter hatte ihn einen Moment unbeaufsichtigt gelassen. Die Entführung geriet außer Kontrolle, als der Junge versuchte abzuhauen. Beim Prozess waren die Hintergründe der Tat nicht eindeutig zu klären, nachdem sich die beiden Angeklagten gegenseitig beschuldigten und sich in Widersprüche verwickelten. Jetzt versucht Thomas, der im Bewusstsein seiner Schuld lebt, einen neuen Anfang.
Die Lehrerin Agnes, die mit ihrer Klasse die Kirche besucht, ist die Mutter des Kindes, das Thomas umgebracht hat. Sie erkennt ihn. Während dessen entwickelt sich zwischen Thomas und Anna ( Trine Dyrholm), der Pfarrerin der Gemeinde, und ihrem kleinen Sohn eine fragile menschliche Beziehung. Offiziell weiß niemand von Thomas Verbrechen. Doch auf Dauer lässt es sich nicht verheimlichen, zumal Agnes die Kirchengemeinde vor ihm warnt. Sie hält ihn für einen pädophilen Triebtäter, der es auf Annas Sohn abgesehen hat.
Gibt es eine bedingungslose Vergebung, wie es das Evangelium verspricht? Kann auf gleicher Weise der Sünder, der große Schuld auf sich geladen hat, diese Schuld wirklich sühnen? Erik Poppe geht diesen Fragen in seinem Film „Troubled Water“ konsequent nach. Der Titel bezieht sich auf den Song „Bridge over troubled Water“ von Simon & Garfunkel, in dem es heißt: „… Und wenn es dann dunkel wird und dich der Schmerz dich umfängt, bin ich für dich wie eine Brücke über aufgewühlten Wassern“.
So präzise und dabei filmisch überzeugend, hat man Grundfragen der christlichen Heilsversprechung seit Ingmar Bergman und Andrej Tarkowskij nicht mehr auf der Leinwand gesehen. Erik Poppe erzählt seine Geschichte erst aus der Perspektive des Täters und dann noch einmal aus der von Agnes, der Mutter, die ihr Kind genommen wurde. Dabei liegt der Schwerpunkt auf der versuchten „Bewältigung“ durch Verdrängung. Die dünne Kruste bricht auf, als sich Thomas und Agnes aufeinander treffen. Behutsam weist der Film ohne missionarischen Anspruch einen Weg aus dem Dilemma, mit dem beide zumindest weiterleben können.
Dabei spielt die vom Orgel-Virtuosen Iver Kleive interpretierte Kombination aus traditioneller Kirchenmusik mit „Bridge over troubled Water“ eine wesentliche dramaturgische Rolle. Zusammen mit einer vorzüglichen Ensemble-Leistung der Schauspieler ergibt das einen der großartigsten Filme der letzten Zeit: „Troubled Water“ von Erik Poppe sollte man sich auch ansehen, wenn einem ansonsten das Kino wenig bedeutet!
Dazu die Hörfunk-Fassung dieses Artikels – gesendet im SWR2 „Journal am Morgen“ am 18. 3. 2010:[media id=89 width=320 height=20]