Unsichere Zeiten für Filmproduzenten und Kinobetreiber: kaum eine der Großproduktionen des letzten Jahres hat die kommerziellen Erwartungen erfüllt. Von den künstlerischen ganz zu schweigen. Als sichere Bank haben sich dagegen Animationsfilme erwiesen, die sich an junge bis ganz junge Kinogänger wenden und die be-gleitenden Eltern ebenso erfreuen. Bestes Beispiel ist dafür das schlicht gestrickte „Lego-Movie“. Bereits am ersten Wochenende vor Ostern kamen zu „Rio 2 – Dschungelfieber“ allein in Deutschland knapp 300 000 Besucher. Kein Wunder das in den nächsten Wochen eine ganze Welle von Animationsfilmen auf unsere Leinwände schwappt: Von „Muppets most wanted“ über „Tinkerbell und die Piratenfee“ bis zu „Planes 2 – Immer im Einsatz“. Traditionell mit dem Animationsfilm in Spielfilmlänge beschäftigt sich auch das „Internationale Trickfilmfestival Stuttgart“, das in diesem Jahr noch bis zum kommenden Sonntag stattfindet. In der Sektion „AniMovie“ werden neue Trends im Animationsfilm innerhalb und außerhalb Hollywoods vorgestellt.
Ein kleiner Kater, niedliche Mäuse, schwäbelnde Tauben und ein weißer Hase. Außerdem ein spleeniger, menschen-und tierfreund-licher Zauberer, den sich jeder als Opa wünscht. Das ist das Personal in „Das magische Haus“. Die belgische Produktion wird von Regisseur und Produzenten Ben Stassen persönlich in Stuttgart präsentiert, bevor der Film Ende Mai in die deutschen Kinos kommt.
Es ist nicht zu übersehen, dass sich Stassen mit seinem „Magischen Haus“ an amerikanischen Vorbildern orientiert. Vor allem die Pixar-Produktionen standen Pate. Ebensowenig ist die berufliche Vergangenheit des Regisseurs mit Filmen für IMAX-Kinos zu übersehen. Dem „Magischen Haus“ gereicht das nicht zum Nachteil: Der Kampf einer Notgemeinschaft aus Kater, Hase, Mäusen und Opa gegen fiese Erbschleicher hat Charme.
Ben Stassen zeigt, wie man eine alte Geschichte erfrischend neu erzählen kann. In der deutschen Fassung übrigens mit den Stimmen von Matthias Schweighöfer, Karoline Eichhorn und Dieter Hallervorden.
Ziemlich gnadenlos geht der Estnische Regisseur Mait Laas mit den Erwartungen des Publikums um – in sein artifiziellen Puppentrickfilm „Lisa Limone und Maroc Orange“:
Der Film fängt putzig an – ein listig blinzelndes Männlein mit großem Orangenkopf. Doch dann wird es ernst: im weiteren Verlauf von „Lisa Limone und Maroc Orange“: Die beiden sind nämlich Bootsflüchtlinge auf der Suche nach einer besseren Welt. Es gibt da zwar singende Muscheln und andere musikalische Einlagen, aber das existentielle Problem wird trotzdem nicht verniedlicht. Das verbindet diesen Film vom Rande Europas, mit den anderen Beiträgen der Reihe „AniMovie“ beim diesjährigen Stuttgarter „Trickfilmfest“.
Von Japan bis Südafrika, von Norwegen bis Italien weisen junge Regisseure auch dem großen Animationsfilm neue Wege: 3D gehört inzwischen zum Standard. Anders dagegen Hollywood: mit seinen überfinanzierten Popcorn-Produtionen von „Lon Rider“ bis zur X-ten Spiderman-Fortsetzung erleiden die Produkte der Major zunehmend Schiffbruch. Deshalb nimmt man in Los Angeles inzwischen gerne europäische Innovationen in Anspruch. Ein interessantes Beispiel: ist der englische Schauspieler, Regisseur und Motion-Capture-Künstler Andy Serkis. Er ist in Stuttgart mit „Planet der Affen – Revolution“ zu Gast. Der Film kommt im August in die Kinos und überrascht durch einem frappierend neuen Umgang mit den Möglichkeiten digitaler Bildbearbeitung. In diesem Fall der „Motion capture performance“:
Serkis gibt dem Oberaffen Ceasar ebenso eine Seele wie dem unglücklichen Gnom Gollum in „Herr der Ringe“ und den „Hobbit-Filmen. Also: Ob Affen oder einfache Strichmännlein: europäische Animationsfilmer sind einfach Spitze. Nicht von ungefähr ist das Stuttgarter Trickfilmfest weltweit die wichtigste Veranstaltung dieser Art.