Frankreich 201o
Regie: Mathieu Amalric
Mit Mathieu Amalric, Miranda Colclasure, Suzanne Ramey
Anbieter: Farbfilm/Lighthouse
Mathieu Amalric (Jahrgang 1965) ist im Moment einer der bekanntesten und vielseitigsten Schauspieler-Persönlichkeiten in Frankreich. Seit 1984 hat er in über 50 Filmen mitgewirkt. Einem größeren Publikum auch hierzulande ist er als fieser Gegenspieler James Bonds in „Ein Quantum Trost“ (2008). Im Jahr davor hatte Amalric mit der Verkörperung des ehemaligen „Elle“-Chefredakturs Jean-Dominique Bauby in „Schmetterling und Taucherglocke“ beeindruckt; Bauby litt nach einem Schlaganfall an einem sogenannten Locked-in-Syndrom. Auch als Regisseur hat sich Mathieu Amalric einen Namen gemacht. Für „Tournee“ wurde er 2010 in Cannes für die beste Regie ausgezeichnet. Der Film ist in den deutschen Kinos im vergangenen Herbst sang-und klanglos untergegangen. Jetzt gibt es das außergewöhnliche Werk auf DVD…
Es ist unwirtlich in Nordfrankreich: das Hotel in Le Havre von der schäbigen Art. Das freizügige amerikanische Damen-Cabaret „New Burlesque“ geht auf Tournee durch die französische Provinz – immer an der Küste entlang vom Norden in den Süden. Manager der schrillen Truppe ist Joachim Zand – er wird von Mathieu Amalric selbst verkörpert.
Joachim verfolgt mit der Frankreich-Tournee ganz persönliche Ziele: vor Jahren war er die dauernden Kompromisse als TV-Produzent leid – schmiss den Bettel hin und suchte in den USA, dem Land mit den angeblich unbegrenzten Möglichkeiten, einen neuen Anfang. Den fand er in der amerikanischen „Burlesque“-Szene. Dabei handelt es sich um die seit einiger Zeit erfolgreichen Glitter-Flitter-Shows, in der Glamour mit Travestie in einer höchst amüsanten Weise dargeboten wird.
Das französische Publikum ist von „New Bulesque“ begeistert. Doch der Erfolg in der Provinz reicht Joachim nicht: er will in Paris seinen ehemaligen Freunden und Feinden zeigen, dass er es zu etwas gebracht hat. Dummerweise sind aber alle Bühnen, die in Frage kämen, ausgebucht. So schwer es fällt, muss Joachim vor Ort versuchen, über alte Kontakte doch noch für seine Truppe eine Auftrittsmöglichkeit zu sichern…
Mit „Tournee“ hat Mathieu Amalric einen hinreißenden Film über die alltäglichen Mühen im Show-Geschäft gedreht, das Leben aus dem Koffer und die Hoffnung, irgendwann die ganz große Karriere zu schaffen. Dabei ist Amalric eine faszinierende Kombination aus Dokumentar- und Spielfilm gelungen.
Seine temperamentvollen Akteurinnen heißen Dirty Martini oder Kitten on the Keys und spielen sich selbst. Das macht „Tournee“ direkt und authentisch. Das passt jede Stimmung und jede Nuance. Zum Beispiel wenn das Ensemble in einem tristen Hotel von Nantes auf ihren Manager wartet, der sich in Paris eine Abfuhr nach der nächsten holt. Irgendwann vergeht den Damen dann die Lust, spontane Events in der Hotelhalle zu veranstalten. Bei der dokumentarisch genauen Schilderung spielt auch die Sprache eine große Rolle. Sie ging bei der nivellierenden deutschen Synchronisation komplett verloren. Das erklärt den Misserfolg von „Tournee“ in den deutschen Kinos. Auf der bei „Farbfilm“ erschienen DVD gibt es natürlich auch das untertitelte mehrsparachige Original. Heiter bis besinnlich: der Alltag eines etwas anderen Künstler-Ensembles aus ungewöhnlicher Perspektive. Ein Film, der durch seine Haltung und die perfekte Kombination unterschiedlicher Stilmittel beeindruckt. Das ist „Tournee“ von Mathieu Amalric – einem der wenigen Schauspieler, die auch ausgezeichnete Regisseure sind. Die DVD mit „Tournee“ ist bei Farbfilm erschienen und kostet 15 Euro; Blu-ray 20 Euro.