Rowohlt Verlag
ISBN 10-978348030-124
160 Seiten, € 17.95
Thomas Harlan (Jahrgang 1929), Sohn des prominentesten NS-Regisseur Veit Harlan ist im Oktober vergangenen Jahres nach jahrelanger schwerer Krankheit gestorben. Im Zentrum seines Lebens als Schriftsteller und Filmemacher stand die Auseinandersetzung mit dem Vater, als Repräsentant einer Tätergeneration. Im Rowohlt Verlag ist gestern postum Thomas Harlans letztes Buch er schienen. Es heißt „Veit“ und wieder geht es um den Vater.
Noch einmal hat Thomas Harlan in „Veit“ das Verhältnis zum Vater Veit Harlan ausgelotet. Noch einmal die Ambivalenz ihrer Beziehung formuliert. Das hat Thomas sein Leben lang geprägt. Seine Position zur Schuld des Vaters – und die heißt „Jud Süss“:
Einer der niederträchtigsten Filme der Geschichte. Formal ein elegantes Melodram – inhaltlich das Plädoyer für einen Völkermord. Als Veit Harlan 1950 von einem Hamburger Gericht vom Vorwurf des Verbrechens gegen die Menschlichkeit frei gesprochen wird, kommt es zum Bruch zwischen Thomas Harlan und seinem Vater, der allerdings noch 1955 ein Drehbuch seines Sohnes verfilmt.
Thomas Harlan hat sich vor zwei Jahren in dem Dokumentarfilm „Harlan – Im Schatten von Jud Süss“ von Felix Möller ein letztes Mal ausführlich vor einer Kamera zu seinem Verhältnis zum Vater geäußert.
Erst als Veit Harlan 1964 im Sterben liegt kam es zu einer gewissen Aussöhnung zwischen dem Vater und seinem ältesten Sohn. Thomas Harlan war inzwischen selbst Filmemacher geworden. Sein Film „Wundkanal“ löste 1984 bei den Filmfestspielen von Venedig einen Skandal aus: mit einem tatsächlichen Täter – dem Leiter eines Einsatzkommandos in Litauen – in der Hauptrolle, übte Thomas Harlan filmische Selbstjustiz. Eine verstörende Parabel auf den eigenen Vater, der ihn über den Tod hinaus nicht los lässt.
Thomas Harlans„Veit“ ist ein schmaler Band. Thomas Harlan hat ihn in wenigen Tagen im Frühsommer 2010 geschrieben. Fast denselben Umfang wie der eigentliche Text hat der erklärende Anhang
Wohl wissend, dass er nicht mehr lange leben würde, hat Harlan das Buch als ultimative Positionsbestimmung angelegt. Eine noch rigorose Abrechnung mit dem Vater als früher.
Gleichzeitig und auch nicht zum ersten Mal mit der eigenen Unfähigkeit zu trauern, zu verzeihen. Selten ist das Dilemma einer ganzen Generation derart konzentriert und sprachlich brillant auf den Punkt gebracht worden – wie hier von Thomas Harlan. Mit der bitteren Erkenntnis, dass es den Frieden mit dem Vater und der Schuld der Väter nie geben wird. Das macht „Veit“ zu einem erschütternden Stück Literatur…
Ergänzend zu Thomas Harlans „Veit“ sind bei rororo Thomas Harlans „Gesammelte Werke in Einzelausgaben“ erschienen. Sie bestehen aus den – lange vergriffenen – Romanen „Rosa“ und „Heldenfriedhof“ sowie den Erzählungen „Die Stadt YS“ und dem Interviewband „Hitler war meine Mitgift“. Die Aufzeichnung eines langen Gesprächs, der Jean-Pierre Stephan mit Harlan geführt hat. Eine Neuauflage des 2007 bei Eichborn erschienen Buches „Das Gesicht deines Feindes. Ein deutsches Leben“.
Thomas Harlans Film „Wundkanal“ gibt es in der Edition Filmmuseum als Doppel-DVD zusammen mit der Dokumentation über die Dreharbeiten, „Notre Nazi“ von Robert Kramer.