USA 2011
Regie: Terrence Malick
Mit Brad Pitt, Sean Penn, Jessica Chastain
Kinostart: 16. Juni 2011
Zuerst gab es heftiges Gedränge am Eingang des Palais du Festival dieses Jahr in Cannes vor der Pressevorführung von „The Tree of Life“. Hinterher nur mäßige Begeisterung für das neue Werk des amerikanischen Einsiedlers unter den Filmemachern der Gegenwart. Als ihm dann auch noch die diesjährige Goldene Palme zuerkannt wurde, waren viele unzufrieden. Ein Film, an dem sich die Geister scheiden, wurde hier von einer Jury unter Vorsitz von Robert de Niro prämiert. Was für die Einen ein inneres Missionsfest, ist für die Anderen nur mit Mühe zu ertragender religiöser Kitsch.
Nur der bibelfeste Kinogänger weiß mit dem Motto von „The Tree of Life“ etwas anzufangen: „Wo warst Du, als ich das Fundament der Erde legte“ = aus dem Buch „Hiob, 39“ und weiter geht es mit „Wer hat die Maße festgelegt und wer die Meßschnur über sie gespannt…“ Gleich anschließend erreicht eine „Hiobsbotschaft“ die O’Brians in der texanischen Idylle: einer der drei Söhne ist tot. Woran er gestorben ist, lässt Regisseur Malick offen. Interessant die Interpretationsvielfalt deutscher Filmjournalisten: die Spanne reicht von Selbstmord bis zu gefallen in Vietnam. Also von Anfang an viel Raum für Phantasie unterm Lebensbaum.
Egal: tot ist tot und die Erschütterung bei Vater, Mutter und Geschwistern nachvollziehbar groß. Die Spanne zum Urknall klein: Mit Hilfe des Experten für intergalaktische Tiefenpsychologie, Douglas Trumbull (bewährt seit „2001-Odyssee im Weltraum“), ließ Regisseur Malick die Erde aus der wüsten Leere werden.
Heftig sprühen Vulkane Feuer, erstes Leben erwacht im Meer, die Kaulquappe erobert die Erde und die Evolution nimmt ihren Lauf! Das Kapitel „Bildungsfernsehen“ in „The Tree of Life“ erreicht alsbald die putzigen Dinos. Von wegen, der Schein trügt: eines der Biester tritt dem anderen aufs Haupt.
Zu Smetanas „Moldau“ wächst der Fötus im Mutterleib und wird zum stämmigen Knaben Jack, O’Brians Ältestem. Kindheit in Texas mit zwei Brüdern. Während die sanftmütige Mutter (Jessica Chastain) den Rangen alle Unarten durchgehen lässt, ist der Herr Papa (Brad Pitt mit Bürstenschnitt-Frisur) strenger. Das provoziert Widerstand – vor allem von Jack. Es vergeht die Zeit im Sauseschritt und wir eilen mit. Aus Jack ist anscheinend trotzdem etwas geworden (jetzt in Gestalt von Sean Penn) – in einer großen Stadt, wo sich in den Glasfassaden immerzu das Himmelzelt des Allmächtigen spiegelt und Alexandre Desplat Engelschöre jubeln lässt.
Zwischendurch kommt dann und wann auch wieder Douglas Trumbull zum Zuge: Imaginäre Farbenspiele kündigen die Ewigkeit an.
Damit auch Hein Blöd versteht, dass Terrence Malick es wirklich und wahrhaftig ernst meint, raunt ein Kommentator im sakralen Duktus eines Zeugen Jehova-Vertreters am Sonntagmorgen an der Haustür vom lieben Gott.
Schließlich: Halleluja! Mit „Agnus Dei“ (Raten Sie mal voraus…) ganz in Weiß gehen die O’Briens und mit ihnen alle, die fest im Glauben sind, in die Ewigkeit ein…
Das mag in seiner Konsequenz bei entsprechender innerer Bereitschaft zu tiefst berühren: „The Tree of Life“ kann dann als großer theologischer Wurf erlebt werden, bei dem sich das Kino zur Kathedrale weitet, dass der Besucher wie nach einem Gottesdienst verlässt.
Wer allerdings nicht zu strengem Katholizismus neigt und dem Pietismus fern steht, erlebt diesem Film als Musterbeispiel für die Affinität des Erhabenen zum Lächerlichen. Freilich Malick gelingen mitunter große optische Momente. Aber das klotzköpfige Spiel Brad Pitts, der ständige Dackelblick Sean Penns und die Hildegard von Bingen-Aura der Jessica Chastain als Schmerzensmutter verleidet einem (Pardon, d.h. mir!) in Verbindung mit dem gruseligen Soundtrack auch diese kurzen Freuden.