Ein armer kleiner Junge wird von seinem Klavierlehrer gequält. Gameboy-Spiele wie „Tetris“ schlagen zurück und vernichten New York; Zwei Männer liefern sich in der australischen Wüste ein Autorennen bis zur Vernichtung. Ein Mäusefamilien-Vater kommt bei einer Umweltkatastrophe zu Tode; die kleinen Mäusekinder müssen Katzen-Pflege-Eltern. Schließlich ist sowieso alles Aus und Vorbei: verlorene menschliche Gliedmaßen versuchen sich nach dem Super Gau einigermaßen zu organisieren:
Gesammelte Alpträume zur Eröffnung des 18. Internationalen Trickfilm Festival in einem Stuttgarter Kino, das „Gloria“ heißt. Zum mediokeren Inhalt eine perfekte Verpackung: die ersten Wettbewerbsbeiträge strotzen förmlich vor Kreativität.
Da spielt der Franzose Patrick Jean in „Pixels“ virtuos mit der Kombination von 3D Computer-Animation und Realaufnahmen: in 2 Minuten 35 schuf er eine neue Variation des Katastrophenfilms. Mit seinen zum Song „Black Swan“ von Thom Yorke animierten Kreise, Quadrate und Ellipsen erinnert Guy Harlap aus Israel an den Urvater des künstlerischen Zeichentrickfilms Oskar Fischinger und bringt dabei die Intentionen vieler junger Animationsfilmemacher auf den Punkt, die ihre Arbeiten in Stuttgart präsentieren: es sind die Referenzstücke von hochbegabten Talenten, für eine weitere Karriere im Olymp der Blockbuster-Studios in Los Angeles.
Wenn dazu auf Anhieb nicht reicht, gibt es inzwischen in der Medienregion Stuttgart genügend Firmen mit einem guten Namen in der Branche. Das Ludwigsburger „Studio Soi“ stand mit seiner „Grüffelo“-Verfilmung auf der Liste der Oscar-Nominierungen. Deshalb konnte die Geschäftsführerin der Medien-und Filmgesellschaft Baden-Württemberg, Gabriele Rötemeier, gestern Abend bei der Festivaler-öffnung nur die Talente im Allgemeinen und das Trickfilmfestival im Besonderen loben.
Nicht da und doch da war Kulturstaatsminister Bernd Neumann und zwar mit einer Videobotschaft. Bei diesem virtuellen Auftritt des Ministers vor dem vollbesetzten Premierenkino lag in der gelöst heiteren Atmosphäre der Verdacht in der Luft, es handle sich dabei womöglich um den Scherz eines Studenten der Ludwigsburger Filmakademie.
Nein, hieß es darauf von amtlicher Stelle, der Minister habe in Berlin wirklich vor der Kamera gestanden und sei nicht in einem Computer generiert worden. So ist das mit dem modernen Trickfilm: was ist schon wirklich, was künstlich. Beim Stuttgarter Festival gibt es noch bis zum Wochenende reichlich Gelegenheit, darüber nachzudenken…