Schweiz 2011
Regie: Markus Imboden
Mit Stefan Gubser
Sendung: 14. August 2011 – 20.15 Uhr (ARD/SRG)
Die „Migros“ und „Coop“ nehmen Markenfirmen von Nivea bis Danone aus dem Sortiment, weil sie nicht bereit sind, auf die augenblicklich schwierige Schweizer Finanzlage Rücksicht zu nehmen. In Locarno hat eine Argentinierin mit Schweizer Wurzeln den Goldenen Leoparden gewonnen! Sowas stärkt das (nicht nur finanziell) angeknackste Selbstbewusstsein der Eidgenossen. Außerdem im Fokus der Schweizer Sonntagsblätter – von „Sonntags-Blick“ bis „NZZ am Sonntags“ – Frau Roches jüngste Selbsttherapie mit „Schlimmen Worten“ und Sex-Aufklärung im Kinderarten (mit Plüsch-Dingsbums). Doch das alles bewegt die Nation nicht so wie der neue „Tatort“- Kommissar aus Luzern, der heute Abend sein Debut gibt.
Der 54jährige Schauspieler Stefan Gubser ist – eine Novität – auch Koproduzent der Schweizer Beiträge zum Sonntagsabend-Krimi-Longseller. Die Folge heißt „Wunschdenken“. Die klamme ARD sollte vielleicht auch einmal in diese Richtung denken. Es könnte doch sein, dass der eine oder andere Schauspieler sein Sparbuch plündert, um seine Rolle im deutschen Fernsehen zu bezahlen… Doch das nur nebenbei!
Der neue Luzerner„Tatort“-Film bewegt nicht nur auf Grund dieser ökonomisch interessanten Konstellation seit Wochen die Schweizer: unter Anderem musste Regisseur Markus Imboden nachdrehen, weil politisch die Ermittlungen von Kommissar Flückiger Anstoß erregten; in der Schweiz wird in diesem Jahr gewählt! Dann war der ARD der Schweizer Kommissar zu Deutsch (aber Hallo!) und nicht schweizerisch genug. Also musste auch auf der Tonebene nachgebessert werden.
Außerdem spotteten Schweizer Feuilletonisten über den arg braven Reto Flückiger und über den US-Import Sofia Milos („CSI Miami“) an seiner Seite. Dabei hat die Gute in acht Tagen Schwiezer Dytsch gelernt…
Deshalb tröstet heute Peter Rothenbühler in der „Sonntagszeitung“: „…gibt es unter den Kommissaren (nicht) schon genug unappetitliche Typen. Muss denn heute Charakterkopf immer Kotzbrocken bedeuten? Da ist doch der nette, affären-und melancholielose Polizist geradezu ein Lichtblick! Ich sage, zum Glück haben wir Sie, Stefan Gubser!“
Als „Kommissar ohne Knall“ stellt der „Sonntagsblick“ den „affären- und melancholielosen Gubser“ in einem langen Interview vor. Er sieht seinen Reto Flückiger auch als einen, „den die Leute mögen“! Das schließt nicht aus, „authentisch“ zu sein. Wobei die Maskennbildner viel zu tun hatten. Die Leichen sollen Hollywoodstandard haben und zarte Gemüter richtig erschrecken.
Die Polizisten werden von richtigen Polizisten gespielt. Auch zu ihrer Image-Pflege soll der neue Schweizer „Tatort“ beitragen: „Die Polizisten in Luzern waren meine Kollegen. Supertypen, die einen tollen Job machen!“ hat Gubser festgestellt.
Hoffen war also, dass das auch die Herrn Gubser und Imboden bei „Wunschdenken“ einen solchen gemacht haben. Obwohl die „NNZ am Sonntag“ kategorisch etwaige Hoffnungen dämpft: ein „Alpen-Schimanski“ sei nicht zu erwarten… Also: heute Abend nicht ins Kino, sondern vor die Glotze!