Schweiz/Deutschland 2009
Regie: Christian Frei
Kinostart: 29. Juli 2010 (Kool)
Der Schweizer Filmemacher Christian Frei gehört gegenwärtig zu den originellsten und innovativsten Dokumentaristen der Gegenwart. Für sein Portrait des Fotografen James Nachtwey wurde er für einen Oscar nominiert. Mehrfach ausgezeichnet sein Film „The Giant Buddhas“ über die Sprengung der monumentalen Buddhastatuen durch die Taliban in Afghanistan. Wie man an einer Randnotiz eine Reflektion über die Globalisierung unserer Welt machen kann, zeigt Christian Frei in seinem neuen Film „Space Tourists“.
Nachdem inzwischen Kreti und Pleti pauschal die entferntesten Winkel unseres Planeten bereisen, sind exklusive Ziele rar geworden: die russische Raumfahrtagentur „Roskosmos“ bietet die Lösung: wer 20 Mio. Dollar übrig hat, kann einen Flug in einer Sojus-Kapsel zur Weltraumstation „ISS“ buchen – natürlich hin und zurück!
Als erste Frau nutzte die amerikanische Multimillionärin Anousheh Ansari das Angebot. Sie ist begeistert:
„Ich war immer besessen von der Idee, eines Tages ins All zu fliegen. Ich hatte sogar einen Plan B! Falls ich sterbe, ohne im All gewesen zu sein, sollte mein Mann meine Asche in den Weltraum senden. Zumindest ein bisschen davon. Bereits als Kind wollte ich auf dem Balkon meiner Grosseltern schlafen, den wunderbaren Sternenhimmel ansehen. Das Weltall faszinierte.“
Das sagt Frau Ansari in „Space Tourists“ von Christian Frei.
Die Amerikanerin hat ihre Milliarden mit einer IT-Firma verdient und kann sich die ungewöhnliche Reise gewissermaßen aus der Portokasse leisten.
Ebenso wie Charles Simonyi, der für Microsoft „Word“ und „Excel“ entwickelt hat. Frei dokumentiert ihre Ausflüge in den Weltraum. Die beginnen mit einem Vorbereitungstraining auf dem Weltraumbahnhof Baikonur in Kasachstan. Die Aufnahmen aus dem Raumschiff selbst haben die mit fliegenden Astronauten und Nebenbei-Reiseleiter mit einer kleinen DV-Kamera gemacht. Das Ergebnis hat etwas von einem Betriebsausflug. Die Stimmung an Bord hätte nicht besser sein können – der Service anscheinend dem Preis angemessen.
Christian Frei beschränkte sich bei „Space Tourists“ nicht auf eine exklusive Reisereportage über reiche Leute. Das Spannende an seinem Film macht seine Beschreibung der Kehrseite der Medaille aus: Im Gegensatz zur amerikanischen Raumfahrt von Cap Canaveral, fallen bei den Russen nach dem Start der Raumfähre die abgesprengten Raketen nicht ins Meer, sondern in die Kasachische Steppe:
Einheimische verfolgen den Start der Raumfähre erst aus der Ferne mit dem Feldstecher, um dann mit ausgedienten Armeelastern an den Ort zu fahren, an dem die Raketen vom Himmel gefallen sind.
Ausgerüstet mit schwerem Gerät zerlegen die modernen Schrotthändler den Fallout an Ort und Stelle. Es handelte sich dabei Metalle von höchster Qualität. Sie werden nach China verkauft, wo sie unter Anderem zu Haushalts-Alufolien verarbeitet werden. Es kann also sein, dass wir Reste einer russischen Rakete in unserer Küche haben.
So kurios im Detail, so ernsthaft ist Christian Freis Film im Grundsätzlichen. Mit „Space Tourists“ zeigt er am konkreten Beispiel die Ambivalenzen und Widersprüchlichkeiten einer globalen Welt mit superreichen Weltraum-Touristen auf der einen und bitterarmen kasachischen Bauern auf der anderen Seite, die sich beim Hantieren mit hochgiftig konterminiertem Weltraumschrott ihre Gesundheit ruinieren. Freis Film wieder überzeugt in jeder Beziehung.